Wes Montgomery – Eine Hommage zum 100. Geburtstag

Klaus Huckerts Jazz Ecke

Einer der größten Jazz-Gitarristen – Wes Montgomery

Die Jazz-Gitarre war bis in die vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts ein rein akustisches Instrument, das in Orchestern wegen seiner geringen Lautstärke nur sporadisch zu finden war. Nur in kleineren Besetzungen war dieses Instrument gefragt. Einer der ersten Gitarristen, der mit einer elektrisch verstärkten Gitarre spielte, war der junge, afroamerikanische Musiker Charlie Christian, der bis heute als absolut innovativ und stilbildend gilt. Obwohl er nur knapp über zwei Jahre als Gitarrist bei Benny Goodman spielte, hat der Musiker  in dieser kurzen Zeit das Gitarrenspiel revolutioniert. Er hat das Musikinstrument aus der starren Rolle der Rhythmusgitarre befreit. Charlie verstarb bereits mit 25 Jahren an Tuberkulose.

Eine ähnliche Rolle spielte in den fünfziger und sechziger Jahren Wes Montgomery, der u.a. auf dem Spiel von Charlie Christian und Django Reinhardt aufsetzte. Legendär sind bis heute die mit seinem Daumen angeschlagenen Oktavketten und melodiösen Läufe. Er gilt immer noch als einer der einflussreichsten Jazzgitarristen. Wes Montgomerys Bedeutung für die Jazzgitarre lässt sich mit dem Einfluss von Jimi Hendrix auf die Rockgitarre vergleichen.

Die Anfänge von Wes Montgomery

 Geboren wurde John Leslie „Wes“ Montgomery in Indianapolis am 6. März 1923 als drittes von fünf Kindern. Das Gitarrenspiel erlernte der Junge auf einer sogenannten viersaitigen Tenorgitarre autodidaktisch. Vorbild war Charlie Christian, den der Jungmusiker auf Platten abhörte. Laut eigener Aussage kaufte sich Wes daraufhin eine elektrische Gibson-Gitarre mitsamt Verstärker und fing an Charlie Christians berühmtes Stück „Solo Flight“ nach Gehör zu lernen.

 In der Anfangszeit seiner Musiker-Karriere arbeitete der Gitarrist tagsüber als Fabrikarbeiter, um seiner jungen, sieben Köpfe umfassenden Familie ein Auskommen zu sichern, nachts spielte er dann in Clubs als Session-Musiker. Etwa 1948 arbeite Wes für zwei Jahre professionell mit dem Lionel Hampton Orchestra. Er verließ die Band, da ihm der Tour-Stress erheblich zusetzte. 1957 sollte der Musiker mit seinen Brüdern Buddy (Vibraphon) und Monk (Bass) in einem Jazztrio unter dem Namen „The Montgomery Brothers“ bzw. „The Mastersounds“ erste Erfolge erzielen. Laut Aussage von Zeitzeugen wurde Wes 1959 mit seinem Trio bei einem Club-Konzert in Indianapolis von dem Alt-Saxophonisten Cannonball Adderley entdeckt, der ihm sofort einen Plattenvertrag bei Riverside Records besorgte. Adderley hatte mit seinem Bruder Nat, Warne Marsh sowie mit den beiden Pianisten George Shearing und Lennie Tristano ein Konzert gespielt. Kenner berichten, dass Cannonball fassungslos dem Können von Wes zuhörte. 1960 kam es dann zu der meisterhaften Platte „The incredible Jazz Guitar of Wes Montgomery“ mit den Sidemen Tommy Flanagan, Percy und Albert Heath. Die Stücke „Four on Six“ und „In your own sweet way“ (Komponist: Dave Brubeck) sind Meilensteinein den Plattenaufnahmen für Jazzgitarre.

Worin bestehen die Qualitäten und Vorzüge von Wes? Sein Gitarrenspiel erfolgt nicht mit Hilfe eines Plektrums sondern nur mit der rechten Hand und dem rechtem Daumen. Die Saiten werden durch die Außenseite des Daumens angeschlagen. George Benson, der Schüler von Wes war, beschrieb seine Besonderheit auch dadurch, dass der Gitarrist wohl eine Art Überbein am Daumen hatte. Dadurch wird ein warmer Gitarrenton erzeugt, der perkussiven Charakter hat. Seine linke Hand – die Griffhand – zeigt eine ungewöhnliche Größe. Dadurch kann er schnell zwischen den Gitarrenlagen wechseln. Übrigens hatte Jimi Hendrix eine ähnlich große Griffhand. Weiterhin war Wes in der Lage aus relativ einfachen Melodien komplexe, filigrane Tonfolgen zu erzeugen. Aus einem harmlosen Liedchen zaubert er mit seinem warmen Ton und genialen Akkord-Soli Meisterwerke, die die Seele berühren.

Der weitere Karriereweg von Wes Montgomery

Der Karriereweg von Wes Montgomery lässt sich in drei Phasen unterscheiden: Die erste Phase beginnt etwa 1959. Damals leitete er ein Trio mit dem Organisten Mel Rhyne. 1961 und 1962 wurde er zum besten Gitarristen des Downbeats-Magazin gewählt. In dieser Zeit war er auch Mitglied des John Coltrane Sextetts. Zusätzlich arbeitete er weiterhin mit seinen Brüdern Buddy und Monk. Alle seine Platten wurden bei Riverside Records veröffentlicht.  

Durch die Insolvenz von Riverside Records 1964 wechselte der Musiker zu Verve Records. Creed Taylor übernahm die Produktion seiner Platten, Don Sebesky lieferte die Arrangements mit großen Orchestern. Seine Aufnahmen bekamen einen kommerzielleren Touch. Seine Version von „Goin‘ Out of my Head war ein Pop-Hit. Bemerkenswert sind in dieser Zeitperiode seine Aufnahmen mit Jimmy Smith und, das wohl beste Album, mit dem Wynton Kelly Trio. Das 1965 produzierte Album „Smokin‘ at the half note“-  von Jazz-Experten wie Jim Hall und Pat Metheny als bestes je aufgenommenes Jazzgitarrenalbum bezeichnet. Den Titel  „If You Could See Me Now“ bezeichnet Pat Metheny als das größte Gitarrensolo, das jemals gespielt wurde. Pat schließt dabei ausdrücklich Jimi Hendrix mit ein. 1966 dann zwei Platten mit Hammond B3-König Jimmy Smith. Dies sind „Jimmy & Wes – The Dynamic Duo“ und „Further Adventure of Jimmy und Wes.

In den Jahren 1967 bis 1968 ging er von Verve Records gemeinsam mit seinem Producer Creed Taylor zum Pop-Label A & M. Seinen Produktionen waren fast immer kommerziell im Easy Listening-Bereich angesiedelt. Dadurch erzielte er großen finanziellen Erfolg. Beispielsweise produzierte er das Album „A Day in the Life“ in dieser Phase, das fast ein Jahr die Charts der Jazz-Platten anführte.

Wes Montgomery verstarb im Alter von 45 Jahren an einem Herzinfarkt. Durch seine Arbeit hatte er bewiesen, dass er einer der größten Jazz-Gitarristen war. Er nahm zukünftige Entwicklungen wie Fusion-Jazz oder Smooth-Jazz bereits voraus.

Quellen zu Wes Montgomery (Auszug)

Oliver Dunskus: Wes Montgomery – Sein Leben, seine Musik. 2. Auflage 2018, BoD Verlag, Norderstedt, ISBN 9783752895612 (auch als E-Book erhältlich)

Über den Musiker war lange Zeit nur im englischen Sprachraum eine Buch-Biografie erhältlich.. Oliver Dunskus hat nach einer langwierigen Zeit des Recherchierens über Wes ein Werk abgeliefert, das Maßstäbe setzt. Gegliedert ist sein Buch in einen Biografie-Teil, Informationen über die Gitarren von Wes und seine musikalischen Erben und eine ausführliche Diskografie mit sehr guten, persönlichen Bemerkungen über die vielen Audios, die von Montgomery existieren.

DVD/Youtube/Webseiten

Wes Montgomery – Live in “65“, Erscheinungsjahr 2007 bei JAZZ ICONS (www.jazzicons.com), Booklet-Text von Pat Metheny, Vorwort durch die Familie von Wes Montgomery, Nachwort von Carlos Santana.

Von Wes Montgomery existieren nicht allzu viele Film-Aufnahmen. Glücklicherweise existiert von der einzigen Europa-Tournee Wes Montgomery’s im Frühjahr 1965 die oben genannte DVD. Seine Tournee führte ihn von März bis Mai von San Remo nach Paris, dann nach Holland, Belgien, England, Hamburg und letztendlich wieder nach England.

Weiterhin findet sich bei youtube die sehenswerte Aufzeichnung eines Konzertes in Hamburg.

Klaus Huckert

Am 6.3.2023 läuft auf www.Radio700.de in der Sendung „Jazzcocktail“ von 18.55 – 21.00 Uhr ein Feature zu Wes Montgomery.

Unser Konzertbericht: Florian Dohrmann Quintett im Jazz in der Mitte Reutlingen 2022 – A Tribute to Wes Montgomery