Lars Danielsson Liberetto beim Landesjazzfestival Tübingen 2024

Lars Danielsson – double bass
Grégory Privat – piano
John Parricelli – guitars
Magnus Öström – drums & percussion

Tübingen, 16.Mai 2024

Das Konglomerat des Wohlklangs

40 Jahre Landesjazzfestival, ist eine lange Zeit, gespickt mit großen Namen aus der Szene, die in Tübingen ihre Aufwartung machten und an diesem Abend fand das „Wunschkonzert“ von Mitorganisator Florian Dohrmann, wie er bei der Ansage betonte, im KSK Carree statt. Zu Gast war Liberetto, das Quartett des schwedischen Bassisten Lars Danielsson, das sich in den letzten Jahren den Ruf als eines der besten Jazz-Ensembles in Europa erspielt hat. Inzwischen gibt es vier Alben von Liberetto und der Großteil der Setlist an diesem Abend  bestand aus den Kompositionen der letzten Veröffentlichung „Cloudland“.

Der 1958 in Göteborg geborene Danielsson studierte zunächst klassisches Cello, wandte sich aber nach dem Eindruck eines Jazzkonzertes mit Niels-Henning Pedersen der Jazzmusik zu. Größen wie John Abercrombie, John Scofield, Charles Lloyd, die Sängerinnen Cecilie Norby und Victoria Tolstoy, sowie viele andere Musiker/innen schmücken seine Vita. 1985 gründete er zusammen mit dem Saxophonisten David Liebman, dem Pianisten Bobo Stenson und dem Schlagzeuger John Christensen das Lars Danielsson Quartett. Er ist mit einer Vielzahl von Einspielungen seit 2004 fester Bestandteil des Plattenlabels ACT. Die hier 2019 veröffentlichte CD 4 Wheel Drive, die er gemeinsam mit Nils Landgren, Michael Wollny und Wolfgang Haffner aufnahm, war in selbigem Jahr das meistverkaufte Jazzalbum in Deutschland.

Spielerische Leichtigkeit trifft hochkomplexe Kompositionen

Es lag vom ersten sanften Ton an eine knisternde Energie in der Luft des KSK Carrees. Sanft schwelgende Töne gehen nach kurzer Zeit in einen treffsicheren Groove über, den der formidable Schlagzeuger Magnus Öström vorgibt. Man muss sich ab und zu die Augen reiben, denn was Danielsson für funkyhafte Töne aus seinem Kontrabass zauberte, war außergewöhnlich und eindrucksvoll. Er spielt die ganze Bandbreite an  Klangfarben und Ausdrucksmöglichkeiten aus, die dieses Instrument hergibt, vergisst aber nie die Bedeutung der Melodie. Gitarrist John Paricelli gesellt sich mit seinem lyrischen Spiel immer wieder dazu. In „Nikitas Dream“ dem ersten Stück des Abends, zeigt sich die ganze Vielseitigkeit aller Protagonisten. Der französische Pianist Gregory Privat nimmt mit aller Gelassenheit das Thema an und spielt mit herausragender Präzision anschließend sein vor Kreativität überbordendes Solo. Jeder Musiker genießt seine Freiräume, jedoch der Kern der Musikstücke besteht aus diesem blinden musikalischen Verständnis, dem freudigen Zusammenspiel, was beständig in den Gesichter der Musiker zu erkennen ist. Bei „the 5th Grade“ treibt Öström am Drumset seine Mitstreiter wieder zu einem magischem Groove an, Privat jagt wieder seine Finger über die Tasten und hat dabei ein unwiderstehliches diabolischen Grinsen im Gesicht, als er seinen fantasievollen Ausflug in die Improvisation beendet und sich alle vier wieder spektakulär in einem Thema treffen, was die Zuhörer in Begeisterungsstürme versetzt.

Klangalchemist und Zauberer Lars Danielsson

Es ist schier unglaublich welche Töne Danielsson seinem Instrument immer wieder von Neuem entlockt. Ob elektronisch verzerrt, sanft gestrichen, geschlagen oder gezupft, er ist in seiner ganz eigenen Welt des Bassspiels eingetaucht. Besonders bei seinem äußerst lyrischen Solo in dem er Fragmente von „Both sides Now“ der amerikanischen Sängerin Joni Mitchell in allen möglichen Variationen einbaut, ist man berührt und fasziniert zugleich. So manch einem Zuschauer läuft in positiven Sinne bestimmt ein Schauder über den Rücken, ganz nach dem Motto Gänsehaut lügt nie. Aber irgendwie zaubern alle  vier Musiker an diesem Abend zusammen jeder für sich an seinem Instrument, und die Alchemie dieser perfekten Instrumentierung ergibt dieses unvergleichliche teils lyrisch, teils rasante Konglomerat des Wohlklangs. Der leider vor einigen Jahren viel zu früh verstorbene schwedische Pianist Esbjörn Svensson hätte seine helle Freude an diesem Konzertabend gehabt, nicht nur weil sein ehemaliger Mitstreiter Jonas Öström seine außergewöhnlichen Fähigkeiten nun in diesem Team einbringen kann, was er gegen Schluss des Abends mit einem fantastischen und äußerst innovativen Solo zeigte. Fragmente des Konzertes waren eine regelrechte Huldigung an das Ebjörn Svensson Trio. Mit dem knackigen und rasanten „Desert of Catanga“ und einer lyrischen besänftigen Zugabe ging ein atemberaubender Konzertabend zu Ende. Eine der „Jazz-Sternstunden“ in den vierzig Jahren des Tübinger Landesjazzfestivals, wie von einigen Zuschauern zu hören war. Apropos Wunschkonzert, ich könnte mir vorstellen, dass viele der Besucher des Abends bestimmt den Wunsch hätten, dieses Konzert noch einmal erleben zu können und selbst für mich, der seit 1973 Jazzkonzerte besucht, war dieser Abend ein absolutes Highlight in den letzten 50 Jahren. Chapeau Liberetto!

Harald Kümmel

Portraits von Lars Danielsson

Portraits von Grégory Privat

Portraits von Magnus Öström

Konzertprogramm des Landesjazzfestival Tübingen