Konzerte

Jerry Weldon Quartet im Jazzclub in der Mitte Reutlingen 2025

Jerry Weldon (tsax)
Julian Schmidt (p)
Giorgos Antoniou (b)
Xaver Hellmeier (dr)

Reutlingen, 3. April 2025

„Come on, Baby!“

US-Saxer Jerry Weldon bietet beim Jazzfrühling in der „Mitte“ betörenden Jazz

Der New Yorker Tenorsaxofonist gab sich beim Reutlinger Jazzfrühling die Ehre und sprühte nur so vor Spiellaune. Er bescherte dem spärlichen, aber gleichwohl hingerissenen Publikum im Jazzclub in der Mitte ein Jazz-Highlight, das die Zuhörer in ein konsequent gestaltetes Netzwerk bebop-durchtränkten Spiels lockte, das keiner Auflösung der Strukturen bedurfte, um offen zu klingen. Bei den Standards wie „I Told You So“ von George Cables ebenso wie bei „Sunny“, einer Eigenkomposition, die er seiner Frau gewidmet hat. 

Doch was den kleinen Jazzkeller in der Gartenstraße zeitweise zum Brodeln brachte, war vor allem das energiegeladene Spiel des gut Deutsch sprechenden und ganz ohne Noten spielenden Bandleaders. Brillant in der Dynamikkontrolle, energisch und trocken in der Gestaltung seiner Soli, schnörkellos, intensiv und trotz allem keineswegs angestaubt, entwickelte der 67-jährige Tenorsaxofonist eine zeitlose Musikform, die auch bisher unheilbar Progressive in ihren Bann zog. In seinen Soli geht es ihm vor allem um klassisches Jazz-Handwerk, eine genaue Klanggestaltung und um rhythmische Komplexität.

Kraftvolle und energiegeladene Stellungnahmen

Faszinierend, mit welcher Prägnanz und Ideenvielfalt Weldon seinen Ton wachsen ließ und wie er gleichzeitig mit verblüffender Klarheit aufwartete. Wie sich aus behutsamen Linien des Tenorsaxofons kraftvolle und energiegeladene Stellungnahmen entwickelten. Weldon, der in den 80er-Jahren Mitglied des legendären Lionel Hampton Orchestra war, soll jungen Musikern einst geraten haben, sie sollten immer spielen, als ob von jedem Ton ihr Leben abhänge. Diese Maxime scheint er für sich selber ebenfalls zu befolgen, denn stets überzeugte Jerry Weldon durch seinen kräftigen Sound und vor allem durch sein intensives Spiel.

Zuweilen tänzelte er am Bühnenrand, klatschte ausgelassen in die Hände oder trieb seinen Pianisten Julian Schmidt mit den Worten „Come on, Baby!“ zu weiteren Höchstleistungen an. Die Begeisterung, mit der Jerry Weldon sein eigenes Spiel und das seiner Mitmusiker begleitet, ist sympathisch, ansteckend und drückt eine inständige Fürsprache und Empathie aus, die über die Musik weit hinausweist. Sein Auftreten zeichnet sich noch immer durch so viel Energie und Jugendlichkeit aus, dass man sich gut vorstellen kann, wie er daheim mit seinen Enkeln vor dem Spiegel Grimassen übt. Ein wenig wie Kinder behandelte er auch seine Mitspieler Julian Schmidt (Piano), Giorgos Antoniou (Kontrabass) und Xaver Hellmeier (Drums), die nichtsdestotrotz einen großen Anteil an diesem intensiven Gig hatten. 

Jürgen Spieß

Portraits von Jerry Weldon

Portraits von Giorgos Antoniou