Konzerte

Jan Garbarek Group feat. Trilok Gurtu – Inter. Theaterhaus Jazztage 2025

Jan Garbarek (sax)
Rainer Brüninghaus (p)
Yuri Daniel (b)
Trilok Gurtu (perc)

Stuttgart, 13.4.2025

Die Wanderer durch die musikalischen Welten

50 Jahre ist es nun schon her als mein Bruder und ich in meinen klapprigen NSU Prinz von Sindelfingen nach München ins Deutsche Museum fuhren um den neuen Jazz-Superstar am Klavier Keith Jarrett mit seiner Band zu erleben. An seiner Seite damals ein aufstrebender junger norwegischer Saxophonist namens Jan Garbarek. Als Garbarek Jahre später seine eigene Gruppe gründete spielte ein gebürtiger Stuttgarter den Bass, der sich in der Jazzszene schon etabliert hatte, sein Name Eberhard Weber. Sein Bassspiel revolutionierte im Laufe der Jahrzehnte die Musikszene und Weber gilt bis heute als einer der Wegbereiter für die neue Art dieses Instrument zu spielen. Leider kann der Musiker auf Grund einer Krankheit  seit einigen Jahren nicht mehr auftreten. Weber ist inzwischen 85 Jahre alt.

In seiner Ansage  würdigte Theaterhauschef Werner Schretzmeier das musikalischer Vermächtnis von Eberhard Weber entsprechend, nicht zuletzt, weil der Bassist über Jahrzehnte zum festen Begleitpersonal Jan Garbareks gehörte, der inzwischen auch 78 Lenze zählt. Unzählige Male, so Schretzmeier stand Garbarek in verschiedensten musikalischen Zusammensetzungen auf der Bühne des Theaterhauses in Stuttgart.

Schwebende Klangwelten und indischer Percussions-Zauber

Der Autodidakt Garbarek, der laut eigener Aussage von dem Spiel John Coltranes, den er 1961 im Radio hörte, so fasziniert war, dass er begann sich das Spiel auf diesem Instrument selbst beizubringen. Sein erstes Album erschien 1967 und es folgten unzählige Einspielungen in verschiedensten Konstellationen mit einer schier unwahrscheinlichen musikalischen Bandbreite. Seit Jahrzehnten erscheinen seine Aufnahmen ausschließlich auf dem renommierten ECM Label.    Inzwischen zählt er mit seinem klaren asketischen Saxophonspiel  zu den wichtigsten zeitgenössischen  Jazzmusikern der Welt. Zwei seiner ständigen Wegbegleiter auf dieser langen musikalischen Reise, waren an diesem Abend auch mit von der Partie. Rainer Brüninghaus an den Keyboards, der sich viel im Fusionbereich bewegte und mit seinen schwebenden Klangwelten als phantasievoller Vertreter der „Minimalart“ gilt. In seiner musikalischen Karriere begleitete er eine Vielzahl von verschiedensten Jazzmusikern, wie z.B. Gary Burton, Bobby McFerrin, Jim Hall, Manu Katché, Albert Mangelsdorff, Paul McCandless, Alphonse Mouzon, Carla Bley und Steve Swallow, nur um einige zu nennen.

Der zweite der Hauptakteure an diesem Abend ist der indische Percussionist Trilok Gurtu, der nun auch schon über Jahrzehnte hinweg immer wieder mit Garbarek und Brüninghaus zusammen auf verschiedenen Einspielungen zu hören ist und fester Bestandteil bei unzähligen Liveauftritten war. Gurtu ist vor allem als Vermittler zwischen indischen und westlichen Musiktraditionen bekannt geworden. Die Verbindung von Jazz und Weltmusik ist das Metier in dem sich der in Bombay geborene Musiker, der inzwischen in Hamburg lebt bewegt. Der „Youngster“ im Team ist der 59-jährige brasilianische Bassist Yuri Daniel, der aber auch schon seit dem Jahre 2007 Mitglied des Quartetts von Jan Garbarek ist.

Von den Brüdern des Windes, dem Dschungel und den Metamorphosen

Gleich vom ersten Ton an ist klar, dass die Zeit dieser faszinierende Klangmalerei die Garbarek aus seine Instrument herauszaubert nichts anhaben kann.  Das erste Stück „Brothers Wind March“, inzwischen ein Klassiker in seinem Repertoire hat an Reiz und Schönheit eher dazugewonnen. Der Klang schwebt durch den Saal wie ein unendlich schönes musikalisches Gedicht, unauffällig von seinen Mitmusikern begleitend erzeugt dieses Konstrukt schon nach wenigen Sekunden beim Publikum Gänsehautcharakter. Brüninghaus unterlegt diese prägnanten Saxophonlinien mit wunderbar schlichten Spiel an den Keyboards, Yuri Daniel spielt mal einen sanften und zurückhaltenden Bass, an anderer Stelle kann sein Instrument durchaus prägnant und perkussiv daherkommen. Gurtu setzt seine ganzen Schlagwerk-Klanginstrumente phantasievoll und manchmal auch humorvoll ein.

Der indische Perkussionist  lässt Klangwelten entstehen die einen in den Dschungel versetzen, in der das Rauschen der Baumblätter sich mit Vogelschreien überkreuzt, oder an anderer Stelle entsteht ein Sound der direkt aus der Hölle aufzusteigen scheint, als er den Gong im Wassereimer versenkt und diesen bis zur Schmerzgrenze des Zuhörens malträtiert. Gurtu erhält viel Freiraum in seinem Spiel, ins besondere bei seinem außergewöhnlichen Solo zieht er alle möglichen Register der schlagzeugtechnischen Vielfalt. Es ist auch faszinierend was Gurtu aus der Cajon (Kistentrommel) an schlagwerktechnischen Wundern herausholt. Verbunden mit seinem indischen Sprechgesang entsteht eine einzigartige Fusion, die unvergleichbar ist. In Metamorphosen legt Brüninghaus einen schwelgerischen schwebenden Soundteppich aus, minimalistisch aber effektiv, sparsam wie seine ganzen Bewegungen an diesem Abend. Seine Finger wandeln traumhaft sicher über die Tasten bei diesem Solo, dass endlos sein könnte ohne langweilig zu werden. Diese Klangmuster werden von Garbarek immer wieder aufgenommen, ergänzt und veredelt, mal mit Sopran- Alt oder Tenorsaxophon.

Die Gefilde des Free Jazz

Garbarek verabschiedet sich zusammen mit Gurtu für einige kurze Momente aus diesem schwebenden Gleichklang der Weltmusik um in die Gefilde des Free Jazz abzutauchen, was den Zuhörer völlig unerwartet trifft, doch es zeigt die Vielfältigkeit dieser innovativen und qualitativ extrem guten Band. Man verliert jegliches Raum- und Zeitgefühl, wenn man sich darauf einlässt in diesen Klangteppich mit eingewoben zu werden. Als dann als letztes Stück „Pygme Lullaby“ in den Saal des Theaterhauses schwebt spürt jeder, dass nach gut zwei Stunden nichts mehr kommen darf und es auch nicht nötig ist um den Konzertabend zu verlängern. Ein wunderbares, traumhaftes Konzert, dass den Zuhörer mit einem zutiefst berührendem Gefühl in die Osterwochen entlässt.

Harald Kümmel

Portraits von Jan Garbarek

Portraits von Rainer Brüninghaus

Portraits von Yuri Daniel

Portraits von Trilok Gurtu