Stefano Bollani beim Jazzfestival Esslingen 2020

Stefano Bollani mit „Piano Variations on Jesus Christ Superstar“

Stefano Bollani – p, voc

Grandiose Variationen der Rockoper

Esslingen, 9.10.2020

Trotz widriger Umstände konnte das 6. Jazzfestival Esslingen dank des energischen Engagements von Maximilian Merkle und seinem Team in modifizierter Form stattfinden.

Stefano Bollani war in Esslingen bereits beim Festivalauftakt 2015 ein Programmhöhepunkt.

So erwartete das Publikum mit den obligatorischen Masken und viel Abstand zueinander in der Stadtkirche St. Dionys den Meister, der zur Begrüßung mit einem Tribut für den am 6. Juli in Rom verstorbenen Ennio Morricone sein Konzert begann.

Die Rockoper von 1970 Andrew Lloyd Webber (Komposition) und Tim Rice (Text) war inspiriert durch die Jesus-Revolution unter den Hippies. Der 14-jährige Bollani war von Film und Soundtrack so fasziniert, dass er nun, zufällig genau 50 Jahre nach der Veröffentlichung des Originals, eigene Variationen zum Thema komponiert hat.

Seine „Piano Variations on Jesus Christ Superstar“ folgen dem siebentägigen Leidensweg Christi. Bollani seziert die bunte Rock-Oper und schreddert sie liebevoll zu Konfetti. Daraus werden Jazznoten, die soliden Melodiefolgen Webbers bekommen ein neues Gewicht, aller Pathos weicht Bollanis genialer Soloversion.

Die bekannten Themen bleiben erkennbar, werden jedoch durch seine differenzierten Improvisationen erfreulich abstrahiert. Das Original Hosanna „…won´t you die for me…“ wird entdramatisiert und klingt in manchen Passagen wie ein Bar Piano, dann wieder im Marschtempo zurück in ein sanft tropfendes Pianissimo. „What´s The Buzz“, – wer kennt den Film? – wird zum fröhlichen Boogie. Zum Träumen samtig wird Maria Magdalenas „I don´t know how to love him“… But WE know how!

Die musikalischen Temperaturen bleiben analog zum Original: „…he is just a man…“ und auch „Gethsemane“ bleibt nah bei Ted Neelys eindrucksvoller nuancenreicher Stimme, ebenso wie Pilatus suggestiv hypnotischer Part oder der hysterische „King Herod´s Song“. Das sich wiederholende Hauptthema kleidet Bollani geschickt neu ein, und so wird es erstaunlicherweise niemals lästig.

Und wie kommt man nach dieser monumentalen Vorstellung wieder zurück und schafft einen Übergang zu den unvermeidlichen Zugaben?

Bollani fragt das Publikum! Wünsche aus dem hinteren Kirchenschiff dringen nur kaum hörbar zum Meister am Piano-Altar vor. Der bemerkt, sich kurz nach oben blickend entschuldigend, dass die gotisch sakrale Architektur hier nicht der Kommunikation dient, sondern auf den Vortrag eines Einzelnen ausgerichtet wurde – und dann beginnt sein furioses Finale con fuoco: Eine  verrückte „Medley-Minestrone“ mit frischem und altem Gemüse aus den Publikumswünschen wie Billie Jean, Imagine, Sorry Seems to Be the Hardest Word, Long And Winding Road, nochmal Morriccone und Jump von Van Halen…..

Bollani, Stefano, Superstar: MILLE GRAZIE!

Martina Hampe

Unsere Konzertfotos: Stefano Bollani Trio beim 1. Jazzfestival Esslingen 2015

Portraits von Stefano Bollani