Yotam Silberstein Quartet feat. Petros Klampanis im Pappelgarten Reutlingen 2018

Yotam Silberstein, guitar
Petros Klampanis, bass
Vitor Gonçalves, piano & accordeon
Daniel Dor, drums

Reutlingen, 18.5.2018

Weit mehr als schnödes Handwerk

New-York-Jazz mit Brasil-Flavour: Der gebürtige Israeli Yotam Silberstein trat mit seinem Quartet im gut besuchten Pappelgarten auf. Die knapp 60 Besucher erlebten ein hitziges und zukunftsweisendes Konzert, das mit viel Beifall bedacht wurde.

Der in Tel Aviv geborene Yotam Silberstein gilt als einer der „führenden Jazzgitarristen der New Yorker Szene“ und ist im Modernjazz ebenso zu Hause wie im Bebop, Flamenco, Milonga oder in der argentinischen Kunstmusik. Ein ganz besonderes Faible hat er jedoch für brasilianische Musiktraditionen entwickelt, vom Samba über Bossa Nova bis zur Música popular Brasileira. Zusammengehalten wird das Konzert von seiner betont flüssigen Gitarrenbehandlung und den abwechslungsreichen Eigenkompositionen, die überwiegend dem aktuellen Album „The Village“ und dem im Sommer erscheinenden „Future memories“ entstammen. Fast zwei Stunden lauschen die Besucher den variantenreichen Interpretationen, die mal sehr harmonisch, dann wieder sperrig verpackt werden.

Gleichwohl bieten die vier Musiker weder banales Retro-Gewimmer noch entnervendes Fusion-Gedöns, sondern loten in der Tradition Django Reinhardts Spielräume abseits des Mainstreams aus. Wie es sich für musikalische Basisdemokraten gehört, spielen sie sich die Bälle zu, nehmen gegenseitig Phrasierungen auf und verstricken Melodielinien ineinander. Gitarrist Yotam Silberstein und der aus Rio stammende Pianist Vitor Gonçalves harmonieren mit ausgeklügelt arrangierter Eleganz, ergänzt durch die mal kraftvollen, mal zart gestrichenen Einwürfe des griechischen Kontrabassisten Petros Klampanis und die rhythmische Feinarbeit von Daniel Dor am Schlagzeug. Die südamerikanische Färbung kommt vor allem von dem Brasilianer Vitor Gonçalves, der neben Klavier bei einigen Stücken auch Akkordeon spielt.

Kunstvoll arrangieren die vier Musiker Unbekanntes und zermahlen Vertrautes, zaubern wie aus einem Guss feine Abstufungen, lassen unbeschwerte Latinrhythmen in verjazzte Regionen abtauchen. Die Kontraste zwischen Modernjazz, Salsa, Bossa Nova und bekannten Standards drohen niemals im wohlklingenden Liebreiz an Schärfe zu verlieren. So gehören das völlig verfremdete „In a sentimental mood“ von Duke Ellingtion, das brandneue „A picture of Java“ und das Samba-angehauchte „Joao“ zu den Höhepunkten des Konzerts. Ganz gleich, ob bei sentimentalen Balladen oder bei dynamisch gespielten Latinnummern – das gewisse Kribbeln ist bei Yotam Silberstein und seinem Quartet stets zu spüren.

„Wir kommen wieder“, verspricht Yotam Silberstein angesichts des nicht enden wollenden Beifalls am Ende. Und die Besucher verlassen den Pappelgarten mit dem Gefühl, mit dabei gewesen zu sein bei einem Abend, der weit über schnödes Handwerk hinausging.

Jürgen Spieß