Stephan-Max Wirth Experience bei der Jazzin‘ Herrenberg 2022

Stephan-Max Wirth, Tenorsax, Sopransax
Frank Wingold, Gitarre
Bub Boelens, Bass
Florian Hoefnagels, Schlagzeug

Herrenberg, 12.3.2022

Energiegeladener Auftritt der Stephan-Max Wirth Experience im Herrenberger Mauerwerk

Jazzin Herrenberg hatte mit dem Engagement dieser Combo mal wieder ein feines Händchen bewiesen. Nachdem Stephan-Max Wirth bereits 2020 zum Jazzin-Frühling eingeladen war und dieser coronabedingt verlegt werden musste, hat es am 12. März 2022 endlich geklappt, diese Formation nach Herrenberg zu holen. Als eine der Top-Bands des europäischen Jazz wird die Band um Wirth inzwischen gehandelt – freilich nur für Insider. So darf man diese, seit über 25 Jahren zusammenarbeitende Steady Working Band, durchaus dennoch als Geheimtipp bezeichnen. Warum? Die Mannen bewegen sich abseits des Mainstreams und glänzen vor allem live mit einem explosiven Gemisch aus tiefgründigem Jazz und unwiderstehlichen Grooves. So auch im Mauerwerk, das im Rahmen der landespolitischen Auflagen recht gut gefüllt war.

Winter in Kiew

Leider konnte Stammgitarrist Jaap Berends aufgrund seiner Coronaerkrankung nicht mit von der Partie sein. Zum Glück sprang Frank Wingold ein, der seine Rolle als „Ersatzgitarrist“ nicht zum ersten Mal mit Bravour ausgefüllt hat. Mit einem unwiderstehlichen Solo gelang es ihm auch das Publikum kurz vor der Pause in seinen Bann zu ziehen. Wirth erklärte im zweiten Set, dass er das Stück „Winter in Paris“ ursprünglich anlässlich des Anschlags auf Charlie Hebdo komponiert hatte, dieses jetzt jedoch, aus aktuellem Anlass, in „Winter in Kiew“ umbenannt hätte. Entsprechend lebte es von Gefühlen wie Verzweiflung und Leid, vor allem nahm es jedoch das Publikum nach einem melancholischen Sopransax-Opening musikalisch in die Tristesse mit ansatzweisem Aufbegehren mit.

Energiegeladene Stücke wie „Space in Time“ kamen ebenfalls nicht zu kurz und hatten eine gewisse „DriftAway“-Qualität. Ein Hauch Nordafrika wurde schließlich mit dem „Kamsin“-Wind in das über 100 Jahre alte Mauerwerk-Backsteingebäude geblasen, bevor sich das Konzert dem Ende zu neigte. Nach tosendem Applaus kam die Formation nicht umhin, das Publikum mit einer, bislang noch namenlosen Zugabe zu beglücken. Doch damit nicht genug: Wirth kam nochmal alleine auf die Bühne und fragte das begeisterte Publikum nach drei Musiknoten. Nach diversen Zwischenrufen einigte man sich auf A, B und Es. Circa 3 Minuten lang zeigte der Saxophonist, wie damit jongliert werden kann. So manche staunende und selig lächelnde Gesichter waren dabei auszumachen. Wer es von der über 2-stündigen Trance wieder zurück ins Hier und Jetzt schaffte, durfte sich im Foyer noch mit CDs versorgen, um zuhause bei passender Gelegenheit den Trip noch verlängern zu können.

Bernd Epple

Portraits von Stephan-Max Wirth

Portraits von Frank Wingold

Portraits von Bub Boelens

Portraits von Florian Hoefnagels