Gitte Haenning Trio in Norddorf auf Amrum 2023    

Gitte Haenning, voc
Wolfgang Köhler, piano
Olaf Casimir, bass

Norddorf, 11.8.2023

Die große Zauberin mit der Stimme aus Samt und Seide

So ein Glücksfall!

Wir hatten nicht damit gerechnet auf unserer Urlaubsinsel Amrum die Gelegenheit zu bekommen ein Jazz-Konzert besuchen zu dürfen. Per Zufall erfuhren wir vom 4. Konzert der großartigen Sängerin mit ihrem Programm „Hautnah & Live“ im Gemeindehaus in Norddorf.

Der große Saal ist ausverkauft, das Publikum erwartungsgemäß zumeist silbern. Der Bassist Olaf Casimir startet mit einem verwegenen „Ich bin das Trio“ zum Einstimmen, nach einigen vielversprechenden Takten erscheint der Pianist Wolfgang Köhler und dann ist das Trio komplett: Ganz in weiß mit rotem Regenschirm erscheint die Lichtgestalt der großen Schamanin, die so viele von uns mit ihrem Gesang bereits ein Leben lang begleitet hat. Seit ihrem 8. Lebensjahr als berühmter Kinderstar kennt sie bereits die Bühne und wir haben als Kinder in Opas Kneipe Groschen geklaut, um die Wurlitzer Musikbox zu füttern und immer wieder mit „Ich will ´nen Cowboy als Mann“ die Alten zu nerven.

So steht hier nun die fantastische Frau Haenning wie Mary Poppins mit ihrem Regenschirm, um das Publikum durch ein farbenfrohes retrospektives Programm ihrer musikalischen Lebensstationen zu führen. Eine unglaubliche Vielfalt kaleidoskopartig aneinandergereihter Hits regnet nun fröhlich auf uns. Von Bill Ramseys „Unterwasser Cha Cha Cha“, einem kleinen Ständchen für Verena, der freundliche Kassiererin aus dem Supermarkt, „Liebe ich Dich zu leise“ von Ulla Meinecke bis Rio Reisers „Halt dich an Deiner Liebe fest“…

Gitte Haenning ist bei jeder ihrer Interpretationen eine höchst kreative und kluge Anarchistin in Weiß, die am Ende des 1. Sets fröhlich und verschmitzt wie ein Kobold einen Song des von ihr für seine „tollen Texte geschätzten Herrn Gröle-Meyer“ auch für seine Nicht-Fans erträglich bis bezaubernd vorträgt. Ach, wo bleibt er nur, der Jazz, der auch Versprochene? – Nun, jetzt gib es noch eine Anekdote anno 1973: das Dach vom Sommerhaus in Kopenhagen muss repariert werden. Damit wieder „Geld in die Kiste kommt“, wird sehr widerwillig mit „Junger Tag“ beim Eurovision Song Contest mitgesungen. Künstler brauchen ein Dach über dem Kopf, das weiß nicht nur der letzte Torero Helge und KollegInnen. Bei allen oft notwendigen Kompromissen ist Frau Haenning echt und authentisch gewesen und geblieben. Ihr kluger und hellsichtiger Humor ist möglicherweise oft ihre Rettung auf diesem so langen und vielseitigen Karriereweg gewesen.

Das 2. Set, nach einer ebenfalls sehr unterhaltsamen Pause, ist eine weiterhin frische und gut gelaunte Fortsetzung dieses gelungenen Abends. Endlich wird es jazzig und die beiden Musiker sieht man zunehmend erfreut. Mit Olaf Casimir hat Frau Haenning einen großartigen und sensiblen Bassisten als versierten kongenialen Zauberer an ihrer Seite.

So geht das aber leider nicht weiter, denn das Publikum muss noch ausreichend gefüttert werden: ein paar Zeilen hier und da mit einem „Spoonful Of Sugar“… because her Job is a game and just a spoonful of musical helps her music go up in a most delightful way.

Dann also auch noch „Supercalifragilistiexpialidocious“ und …lalala…Walzer freut alle… „Chim Chiminey“ … das Publikum liebt das! Und jetzt wird´s schließlich auch noch kurz mit Frau Citronellas Lichtgespiel ein kunterbunter Spaß mit allen Facetten…bis es selbst der Interpretion zu übermütig wird und sie sanft auf den Bühnenboden und zu ihren Wurzeln zurückschwebt mit einer Hommage an ihre Eltern „Mama in weißer Robe und Papa, der Frauenheld“ mit „Old Man River“ und schließlich „Smile“ von Chaplin.

Dieses ungewöhnliche und sehr unterhaltsame Konzert schließt mit Standing Ovations für diese große Künstlerin, swingend zum Ausklang „Who Can Ask For Anything More“ – Was für ein fulminantes Fazit für dieses besondere Highlight unseres Jazz-Jahres 2023.

Martina Hampe

Portraits von Gitte Haenning