Weintraubs Syncopators

Klaus Huckerts Jazz Ecke
Klaus Huckerts Jazz Ecke

Weintraubs Syncopators – Schicksale einer jüdischen Band im Jazz vor und nach der NS-Zeit

In den zwanziger und dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelte sich in Deutschland eine Jazz-Szene, die synkopierte Tanzmusik spielte. Orchester wie die Bands von Bernard Etté, Dajos Bela mit Franz Grothe, Eric Borchard oder die Weintraubs Syncopators waren angesagt. Es gab einen Markt für die Musik, die irgendwie zwischen Ragtime, Blues, Revueschlagern und gelegentlicher Improvisation schwankte. Das Orchester „Weintraubs Syncopators“ war mit der Gesangsgruppe „Comedian Harmonists“ die führenden Stars der marktbeherrschenden Berliner Jazz-Szene.

Auf den Bühnen zeigten sich die sieben Musiker auch als begnadete Komiker. Sie mischten frühen Jazz mit Klassik-Parodien und Walzern. Daneben waren alle Mitglieder Multi-Instrumentalisten. Im fliegenden Wechsel wurden die unterschiedlichsten Instrumente in der Band getauscht. In den frühen Jazzfilmen wie etwa „Fünf von der Jazzband“ (1932) oder im Film „Einbrecher“ (1930) kann man solche Kapriolen sehen, die aber nicht von den Weintraubs stammen.

Stefan Weintraub gründete mit Freunden 1924 die „Weintraubs Syncopators“. Einen ersten Erfolg verdankte die Band dem Generalmusikdirektor der Ufa Friedrich Hollaender, der die bunte Truppe für eine Revue engagierte. Witzige, freche und anspielungsreiche Texte mit flotter, schmissiger Musik für Varietés wurden produziert. Die Weintraubs tourten mit wechselnden Besetzungen durch ganz Europa, darunter auch Pianist Franz Wachsmann, der späterKarriere in Hollywood als Filmkomponist machte. Höhepunkt war sicherlich die Mitwirkung im Film „Der blaue Engel“ (1930) mit Marlene Dietrich. 1933 entschloss sich die Band zur Emigration, da alle Mitglieder jüdischer Herkunft waren und sich nicht einer Verfolgung durch die Nazis aussetzen wollten. Eine wahre Odyssee war die Folge. Man tourte durch Österreich, Dänemark, Italien, Ungarn, Russland, Japan bis man schließlich 1937 in Australien landete. Durch Rivalitäten mit der australischen Musikergewerkschaft war man der Denunzierung, Inhaftierung und Internierung ausgesetzt.  Dort löste sich dann die Band schließlich 1942 auf. Einige der Musiker ergriffen bürgerliche Berufe, ein Teil machte als Profi-Musiker weiter.

Mein Gorilla hat ’ne Villa im Zoo

In dem kürzlich erschienen Buch „Mein Gorilla hat ’ne Villa im Zoo – Die Weintraubs Syncopators zwischen Berlin und Australien“ stellt der Musikwissenschaftler Albrecht Dümling auf über 200 Seiten die Geschichte der Band auf. Daher sei über dieses hervorragende Buch eine Kurz-Rezension an dieser Stelle eingefügt.

Das Buch hat vier Schwerpunkte, die in Zeitdimensionen gegliedert sind. Für die Jahre 1924 – 1933 werden die Gründung der Band und die internationale Erfolgsgeschichte vorgestellt. 1933-1937 ist dann das Exilleben in der Sowjetunion und Japan beschrieben. Im dritten Schwerpunkt – das australische Exil – greift der Autor auf Protokolle, Erinnerungen, Presseberichte und Archivakten zurück. Auch ein anonymes Schreiben, in dem die Band als Spione denunziert sind, ist abgedruckt. Die letzte zeitliche Dimension behandelt die Zeit 1945 bis heute. Die Stadien der Wiederentdeckung der Band werden konsequent richtig dargestellt. Einige Rezensenten behaupten, dass die Weintraubs erst kürzlich wiederentdeckt worden wären. Hätte man sich etwas mit der Jazzgeschichte in Deutschland beschäftigt, wäre man nicht zu solchen falschen Aussagen gekommen.  Eine Diskographie der erhaltenen Aufnahmen der Weintraubs Syncopators rundet das Buch ab. Der Verlag hat zudem eine Website mit Audio- und Filmbeispielen angelegt, die es dem Leser erlauben, die Musik bzw. Filme nachzuvollziehen. Die Webseite ist mit einem Passwort geschützt, das man aber dem Buch entnehmen kann. Auf Youtube finden sich viele öffentliche Musik-Beispiele dieser grandiosen Band.

Das Buch ist allen Jazzfreundinnen und Jazzfreunden ans Herz gelegt. Literatur und die Recherche des Autors sind exzellent. Etwas knapp gerät die Mitwirkung des deutschen, jüdischen Startrompeters Eddie (Adi) Rosner, der vor 1930 aushilfsweise und in den Jahren 1930-1933 festes Mitglied der Truppe war.  Durch die Machtergreifung der Nazis wurde er aus Deutschland vertrieben. Eddie versuchte seine Jazzkarriere in Belgien und in Holland fortzusetzen. 1935 ging Rosner wegen Visa-Problemen dann nach Polen. Von dort aus unternahm der Emigrant bis 1938/1939 auch Tourneen ins europäische Ausland, so z.B. nach Frankreich. 1939 emigrierte der Trompeter in die Sowjet-Union. Dort war er dann Jazz-Star mit großem Staats-Jazzorchester, Gulag-Häftling und wieder Musik-Star. 1973 emigrierte Rosner nach Berlin zurück. Verarmt starb der Trompeter 1976 an einer Herz Attacke.

Als Musikempfehlung hat der Autor vier Musiktitel ausgewählt. Auf Youtube bzw. der unten genannten passwortgeschützten Webseite finden sich u.a. diese Songs. In dem Song „Mein Gorilla hat ‘ne Villa im Zoo“ geht es um den Gorilla „Bobby“, der seit 1928 der erste Gorilla im Berliner Zoo. Er besaß die gleiche Popularität wie fast ein Jahrhundert später der Eisbär Knut. Der nächste Titel „Jackass Blues“ stammt aus dem Jahr 1928.    Der Foxtrott „Wenn wieder Frühling ist“ wurde aus dem Film „Glück über Nacht“ übernommen.   „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ stammt aus dem Film „Der blaue Engel“ mit Marlene Dietrich und den Weintraubs Syncopators.

Quellen:

Mein Gorilla hat ’ne Villa im Zoo – Die Weintraubs Syncopators zwischen Berlin und Australien“. ConBrio Verlagsgesellschaft 2022

Film von Jörg Süßenbach und Klaus Sander: „Weintraubs Syncopators – Bis ans andere Ende der Welt“ 2000 (WDR/Arte TV)

Gertrud Pickhahn/Maximilian Preisler: Von Hitler vertrieben, von Stalin verfolgt – Der Jazzmusiker Eddie Rosner. be.bra Wissenschaft Verlag 2010

Film von Pierre-Henry Salfati: Le Jazzman Du Goulag. Docs De Poche 2006. Besprechung des Filmes.

Klaus Huckert