Jeremy Pelt Quintet

Pappelgarten Reutlingen am 9.12.2019

Jeremy Pelt, tp
Chien Chien Lu, vibraphone
Victor Gould, p
Corcoran Holt, b
Allan Mednard, dr

Von New York nach Reutlingen

Jeremy Pelt ist ein viel gefragter und beschäftigter Musiker. Zwischen einem Auftritt im französischen Marseille und einem Konzert in Rheinfelden schaute der Trompeter am Montag mit seinem Quintet bei Tobias Festl im Reutlinger Pappelgarten vorbei. Immerhin gut 80 Besucher wollten das Konzert des 43-jährigen Ausnahmemusikers aus New York miterleben.

Stilistische Begrenzungen scheint Jeremy Pelt nicht zu kennen. Sein Repertoire reicht von hardbop-inspiriertem Material über langsame, getragene Melodien bis hin zu hitzigem Jazz. Seine Mitspieler fügen sich dabei recht schmiegsam in dieses Konzept ein. Vor allem nach der Pause drehen die fünf Musiker richtig auf und zeigen dem fachkundigen Publikum, wie man aus pulsierenden Hardbop-Stücken einen individuellen Musikstil entwickelt. Das verbindende Element liegt dabei in Pelts Fähigkeit zu einer behutsamen Balance von Wohlklang und improvisierter Musik. Außerdem hat er mit Chien Chien Lu aus Taiwan eine Vibraphonistin dabei, die dem Ganzen das gewisse Etwas verleiht.

Ihre Vibraphon-Läufe klingen sauber, klar und brillant, spieltechnisch geschult am ästhetischen Ideal der Klassik und pointiert eingepasst in den Rahmen transparenter Arrangements. Was sich mit der fünfteiligen „The Rodin Suite“ vor der Pause bereits andeutete, setzt sich in der zweiten Hälfte fort. Denn der Jazz des Jeremy Pelt Quintets hört sich nicht einfach nur routiniert an, sondern besticht durch seinen lebendigen Klang und die klugen dynamischen Feinabstufungen. Gerade nach der Pause zeigt der New Yorker Trompeter, dass er weit mehr ist als ein solider Hardbopper. Und es wird offensichtlich, dass ihn nicht nur der traditionelle Jazz in der Nachfolge des legendären Miles Davis/Milt Jackson Quintets interessiert, sondern die ganze Palette afroamerikanischer Musik. Davon erzählte nun jede Phrase, jeder Takt, jede Harmonie.

Das Quintet präsentiert sich als souveräner Gestalter traditioneller Melodielinien, brillant in der Dynamikkontrolle, energisch in der Gestaltung ihrer Soli. Bandleader Jeremy Pelt bläst seine Trompete mit kraftvollem Ton und die junge Vibraphonistin Chien Chien Lu wächst bei ihren Soli geradezu über sich hinaus. Aber auch in den Kollektivimprovisationen wird musikalisch anspruchsvoller und kerniger Hardbop geboten. Denn auch Pianist Victor Gould, Bassist Corcoran Holt und Allan Mednard an den Drums können sich immer wieder ihren Fähigkeiten entsprechend profilieren. Im Mittelpunkt steht aber meist Trompeter Jeremy Pelt, der in Eigenkompositionen wie „Watercolors“ oder dem Zugabenstück „As of Now“ zum Teil zauberhafte Klangformen findet und sich mal als sanfter, mal als raubeiniger Gestalter auszeichnet.

Jeremy Pelts Jazz ist ur-amerikanisch, kunstvoll konstruiert, mit dem Ziel der Betörung des Publikums. Der ehemalige Sideman von Roy Hargrove, Greg Osby und Cassandra Wilson scheint sich neuerdings von den Fesseln gelöst zu haben, die das Jazzestablishment ihm einst auferlegte, als es ihn schon als Nachfolger von Clifford Brown und Freddie Hubbard feierte. Nun, im Alter von 43 Jahren, hat er sich vom Retro-Diktat befreit, das einen großen Teil des amerikanischen Jazz beherrscht und ist einen Schritt weiter gegangen. Nach vorne. Auch sucht Pelt wie früher schon sein großes Vorbild Miles Davis nicht mehr penetrant die Bühnenmitte, sondern tritt immer wieder zurück, steht am Bühnenrand und hört zu, wie sich Energien entwickeln, um ihnen dann eine neue Richtung zu geben.

So wurde das zweistündige Konzert nach seiner Hommage an den französischen Künstler Auguste Rodin in ersten Hälfte zu einem echten Hörerlebnis und mit einem weiteren Stück des aktuellen Albums „The Artist“ in der Zugabe entließ das Jeremy Pelt Quintet eine begeisterte Hörerschaft wieder in die raue Wirklichkeit.

Jürgen Spieß

Portraits von Jeremy Pelt

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