jazztime Boeblingen mit „Jimmy van Heusen“

jazztime Boeblingen steht im Oktober unter dem Motto: „Jimmy van Heusen“

Tilman Jäger – Piano
Jakob Jäger – Kontrabass
Valentin Renner – Schlagzeug
Alma Naidu – Gesang
Philipp Schiepek – Gitarre

Böblingen, 16. 10. 2020

Geballte junge Jazz-Power verzaubert den Württemberg-Saal

Die jazztime Böblingen präsentierte bei einer Hommage an Jimmy van Heusen vier junge Shooting Stars des Jazz

„It Could Happen To You” – mit diesem Jimmy van Heusen-Standard eröffnete das Quintett um den Pianisten und musikalischen Leiter der Jazztime, Tilman Jäger, den Abend. „Es könnte dir passieren“, so die deutsche Titelübersetzung. Nur was? Die Antwort gab die Band den rund 90 Besuchern auf ihre Weise: Musik, die begeisterte und alles um sich rum vergessen ließ! Vor allem die 24-jährige Sängerin Alma Naidu und der 26-jährige Gitarrist Philipp Schiepek setzten Glanzlichter in punkto grenzenlose Spielfreude, Ideenreichtum und musikalische Interaktion. Dabei wurden sie von einer souveränen Rhythmusgruppe mit dem Schlagzeuger Valentin Renner (22), dem Kontrabassisten Jakob Jäger (19) und dessen Vater Tilman Jäger (58) unterstützt. Auch wenn Tilman Jäger am Freitagabend in der Kongresshalle den Altersschnitt deutlich in die Höhe trieb, kam er genauso jung und unbeschwert rüber wie seine Mitstreiter. Zu Beginn bemerkte er allerdings kopfschüttelnd, dass er einst mit Almas Mutter studiert hatte und nun mit dem Nachwuchs musiziert. Seinen Sohn hätte er bei der Vorstellung der Band dabei fast vergessen. Aufgrund des täglichen Kontaktes sah ihm das Publikum diesen Lapsus jedoch schmunzelnd nach.

Das Konzept der Jazztime

Wer nun eineinhalb Stunden van Heusen erwartete, sah sich schnell getäuscht. Dieser Komponist war Mitte des 20. Jahrhunderts einer der bedeutendsten populären Komponisten und schrieb unzählige Songs für Musicals, Revuen, Film und Fernsehen. Grund genug, ihn mit einigen seiner Evergreens zu ehren. Mit erwähntem Intro und dem darauffolgenden „But Beautiful“ war dann aber erst mal Schluss. Zu groß war wohl die Versuchung, den Kompositionen der jungen Garde um Tilman Jäger genug Raum zu geben. Zum Konzept der Jazztime gehört es ohnehin, dass die Akteure eigene Stücke mitbringen, auch wenn ein besonderer Komponist oder ein Instrument den Rahmen für den Abend bildet. Dieses Mal wurde man jedoch noch mehr als sonst in die Musikwelten des „jungen“ Jazz entführt. Naidus Kompositionen „Hold On To Me“, „White Tulip“, „Open Doors” oder auch “Illusion” und “Golden Lightbeam” waren aber auch zu schön, um sie unter den Tisch fallen zu lassen. Die Sängerin wartete mit stimmlichen Qualitäten auf, die in einer solchen Bandbreite selten zu finden sind: phänomenaler Tonumfang, bestechende Dynamik, messerscharfe Intonation, phantasievolle Scats, Wandelbarkeit und vokale Lautmalereien, wie sie in der asiatischen Musikkultur vorkommen. Die Stimme ist hier ein besonderes, instrumentengleiches Ausdrucksmittel und kommt spürbar aus den Seelentiefen der Interpretin. „Vielleicht liegt das auch an meinem indischen Opa“, verriet sie nach dem Konzert. Was auch immer der Grund für diese Urkraft sein mag, Naidu beherrscht ihre Stimme und singt mit soviel Seele, dass wohl so mancher Besucher dahinschmolz. Dass sie bereits mit Künstlern wie Bobby Mc Ferrin, Nils Landgren oder Bill Evans aufgetreten ist, überrascht in diesem Zusammenhang genauso wenig wie die renommierten Preise, die sie bereits abgeräumt hat.

Ausgezeichnete junge Musiker

Bei allen, zurecht zu verteilenden, Lorbeeren, darf man die außergewöhnliche Klasse des Gitarristen Schiepek nicht vergessen. Der spielte mit einer spielerischen Lockerheit komplizierteste Licks, hatte mit „Nacht“ eine stimmungsvolle Eigenkomposition dabei, bei der Flageoletts, Abdämpftechniken und Klangcollagen mit einem wunderbaren Zwiegespräch mit Naidu einhergingen. Auch Schiepek ließ die Gitarrenwelt bereits aufhorchen und wurde zuletzt mit dem BMW Welt Young Artist Jazz Award 2020 ausgezeichnet.

Jakob Jäger, Kontrabassstudent bei Henning Sieverts, gab zusammen mit Valentin Renner, Jazzschlagzeug-Student an der Münchner Musikhochschule, schon vor eineinhalb Jahren seinen Einstand im Jazztime-Tempel. Mit dem herausragenden jungen Saxophonisten Jakob Manz gab er damals den „Doppelten Jakob“. Inzwischen ist er, wie auch Renner noch ein Stück weiter gereift und die beiden grooven so traumwandlerisch sicher wie die alten Hasen.

Was den (Jazz)Papa anbetrifft, braucht man nicht mehr viele Worte zu verlieren. Der Münchner und Alt-Böblinger ist ein Geschenk für dieses Format und selbstverständlich wird jedes seiner Soli beklatscht. Natürlich durfte der Abend nicht enden, bevor man ein letztes Mal den Bogen zu Jimmy van Heusen schlug. „Like Someone In Love“ war jedoch noch nicht das Schlusslicht. Bei der Zugabenummer „Spain“ von Chick Corea liefen alle nochmals zu Höchstform auf, stellten bei den Unisono-Passagen wiederholt ihr präzises Timing unter Beweis und vor allem erklomm Naidu mit ihren Scats erneut die Spitzen des Soprangipfels. Sie war auch für das Arrangement verantwortlich, das man getrost als eines der besten dieses Klassikers bezeichnen darf. Ein genussvoller Abend, bei dem auch ältere Besucher in das „Frische- und Innovationsboot“ der nächsten Jazz-Generation geholt wurden.

Bernd Epple

Portraits von Tilman Jäger

Portraits von Jakob Jäger

Portraits von Valentin Renner

Portraits von Alma Naidu

Portraits von Philipp Schiepek