Fred Hersch Trio in der Zehntscheuer Rottenburg 2017

Fred Hersch, piano
John Hébert, bass
Eric McPherson, drums

Rottenburg, 10.11.2017

Ein stiller, eindrucksvoller Virtuose

Der Tübinger Jazzveranstalter „Jazz im Prinz Karl“ und der „Kulturverein Zehntscheuer Rottenburg“ präsentierten das Trio des New Yorker Pianisten Fred Hersch in der gut gefüllten Rottenburger Zehntscheuer. Es war eine der äußerst seltenen Gelegenheiten, diesen Ausnahmepianisten in Deutschland zu erleben, denn Fred Hersch war in Deutschland in den letzten 30 Jahren äußerst selten zu hören.

Überhaupt ist Hersch ein Phänomen! Er ist einer breiten Öffentlichkeit kaum bekannt, doch Insider halten ihn, sowohl als Pianist, als auch Klavierlehrer für einen der Größten, zählt er doch u.a. Brad Mehldau zu seinen Schülern. Fred Hersch ist nicht nur ein musikalisches Wunder, sondern auch ein medizinisches. Seit vielen Jahren kämpft er mit einer AIDS-Erkrankung. Nach einem körperlichen Zusammenbruch im Jahr 2008 lag er 8 Wochen im Koma und musste viele Dinge neu lernen, auch das Klavierspiel. Er erholte sich wieder komplett und hat seine alte Klasse wieder erreicht. Manche attestieren ihm gar Vollkommenheit.

Dies ist vielleicht ein zu großes Wort, dennoch ist er ein stiller, eindrucksvoller Virtuose, in dessen Spiel sich Klassik und Jazz vermählen. Die Zuhörer in der Zehntscheuer ließen sich von Herschs brilliantem, reduziertem Spiel überzeugen. Er ist sensibel, leise, zurückhaltend, Fortissimo scheint ihm fremd zu sein. Aufgrund seiner fließenden, aber auch lyrischen Spielweise wird Hersch häufig mit dem legendären Bill Evans verglichen.

…und ein ausgezeichneter Teamplayer

Hersch ist auch als Solist erfolgreich, so hat als einer der wenigen Jazzmusiker den Jazzclub „Village Vanguard“ in New York an 10 Tagen hintereinander ausverkauft. Nach Rottenburg ist er aber mit seinem Trio angereist, denn Hersch ist auch ein ausgezeichneter Teamplayer, er lässt seinen Mitspielern, John Hébert am Bass und Eric McPherson an den Drums, genügend Raum zur Entfaltung. Ihr Zusammenspiel wurde schon mal als so „elegant und ziseliert wie eine Schachpartie“ beschrieben. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Fast andächtig lauschten die faszinierten Zuhörer, der Applaus war zurückgenommen, der Atmosphäre angemessen, der Vortrag viel zu anspruchsvoll, um in Begeisterung auszubrechen. Etwas Vergleichbares hat man schon lange nicht mehr gehört: „He simply did it the Hersch way“ (nach New York Times).

In der Zugabe, die er solistisch begann, gesellten sich seine Mitmusiker dazu und spielten einen wunderschönen Rausschmeißer. Nun war Schluss, denn Fred Hersch verlangte ganz unmissverständlich nach einem Bier – und der Mann am Klavier bekam sein Bier!

Helmut Hugo Burkhardt