Bobo Stenson Trio im Sudhaus Tübingen 2022

Bobo Stenson, Piano
Anders Jormin, Bass
Jon Fält, Drums

Tübingen, 9.12.2022

Die Wärme des Nordens

Es hat ein bisschen geschneit. Rechtzeitig zum Weihnachtsmarkt in der Tübinger Altstadt. Und passend zum Konzert von Bobo Stenson, einer der bekanntesten Jazzmusiker aus dem Norden und Stammgast im Sudhaus. Oft, wenn die Skandinavier*innen mit ihrer Musik zu Gast bei uns ‘im Süden’ sind, entstehen beim Zuhören imaginäre Landschaften. Weite Ebenen, manchmal mit Schnee, oft in Pastell, zart, mystisch – mythisch; offene Klänge auch, weite und offene Horizonte mit Sogwirkung, die dabei entstehen. Bobo Stenson und sein Trio spielten genau so an diesem Abend, und nahmen uns auch dieses Mal noch ein Stückchen weiter mit. Sie malten die Schneelandschaft vor dem Sudhaussaal; das erste Stück hieß aber Frühling und deshalb mischten sich ziemlich schnell farbige Blüten ins Klangbild, wurde der zunächst verhaltene Groove  wärmer, waren da Glöckchen, Rasseln, Rascheln und Schnarren zu hören, blitzte die lustvolle Energie von Jon Fält am Schlagzeug wie kleine Eruptionen aus der Winterlandschaft auf, pulsierte dann voll und rund der Bass von Anders Jormin, langjähriger Webbegleiter Stensons, der auch viele Stücke des Trios geschrieben hat.

Dichtes Zusammenspiel in jedem Augenblick

Das Bobo Stenson Trio wird gern unter Jazz ‘eingeordnet’, entzieht sich dabei aber eigentlich schon immer Kategorien. Es ist von jeher Weite, die Stenson mit seinen jeweiligen Mitmusikern sucht, beschreibt und in den Kompositionen und Improvisationen der Band immer wieder aufs Neue erkundet. Dabei geht’s nicht um spektakuläre Soloritte oder Hochgeschwindigkeitsrekorde. Das Trio fasziniert vielmehr durch die Intensität, in der die Musik, in der – wenn man so will – jeder einzelne Ton oder Klang entsteht, und vor allem auch durch das dichte Zusammenspiel und die Gemeinsamkeit, die da in jedem Moment des Konzerts auf der Sudhausbühne zu spüren ist.

Natürlich verdient jeder in diesem Trio gesonderte Betrachtung: Bobo Stenson der auf dem Flügel die harmonischen Grundlagen schafft, zwar ab und an die Jazzgeschichte anklingen lässt, aber dann souverän in eigene Melodien, Sounds und Improvisationen aufbricht. In der Mitte der Bühne der Bass und am Bass im karierten Flanellhemd Anders Jormin, Stückeschreiber, Erschaffer des Grundgrooves, Kontrabass – Bogen – Virtuose, und dann, last not least, der ‘jüngste’ Mitspieler, Jon Fält am Schlagzeug, 43 Jahre alt und ‘erst’ seit 2008 dabei: Ständig in Bewegung, zuerst mit cooler grüner Wollmütze, manchmal nur minimalistische Geräusche erzeugend, fingerschnippend oder einen Jazzbesen durch die Luft sirren lassend, um dann wieder volle Fahrt aufzunehmen, die Band in neue Landschaften zu geleiten. ‘Haben Sie noch Fragen’- fragt Anders Jormin irgendwann mal in einer kleinen Pause zwischen zwei Songs. Lachen im Publikum – und weiter geht die Reise.

Nordkorea, erfahren wir zwischen den Stücken war das Herkunftsland des gerade Gehörten, danach Vietnam oder auch Kuba. Ganz schön viel Süden und Osten in der Klangwelt der Nordlichter inzwischen. Einer der Höhepunkte des Abends ist ein Don Cherry – Stück, auch der ein großer Weltklang – Finder den das Stenson Trio schon lange im Repertoire hat, hier gespielt in einer beeindruckenden Version mit Jon Fält an der Kalimba. Auch bei diesem Stück wird nochmal ganz deutlich: Jeder der drei spielt auf seine Weise großartig, aber keiner spielt für sich allein. Die drei sind eine Einheit. Selten so erlebt: Close, besser total togetherness. Das Bobo Stenson Trio ist die Musik, die es spielt.

Tom Hagenauer

Portraits von Bobo Stenson

Portraits von Anders Jormin

Portraits von Jon Faelt