Bill Laurance solo in Tübingen 2023

Bill Laurance, piano

Tübingen, 8.12.2023

Überwältigendes Piano-Solo-Konzert im Tübinger Saal 1 der Westspitze

A kind of aural warm-bath? Eine Art akustisches Entspannungsbad?! Nein, so weit würde ich nicht gehen, denn der international bekannte Pianist und Mitgründer des Fusion-Funk-Jazz-Kollektivs Snarky Puppy, Bill Laurance, gibt ein schönes, durchaus  anregendes, ja fast überwältigendes Piano-Solo-Konzert im Tübinger Saal 1 der Westspitze!

Die Veranstalter von Jazz im Prinz Karl sind überrascht, denn eigentlich war Bill Laurance mit einer Armada von Synthesizern und elektronischen Keyboards angekündigt, so wie man es von unzähligen Auftritten mit Snarky Puppy kennt. Doch er kam per Flugzeug mit leichtem Gepäck: er brachte nur einen kleinen, tragbaren Synthesizer mit, den er im Konzert nur sparsam einsetzt.

Bill Laurance ist es gewohnt, in dem großen (bis zu 26 Musiker starken) Snarky Kollektiv zu spielen, wo alles abgestimmt sein muss. Deshalb liebt er das Solospiel, wie er gleich ausführt, denn als Solist genießt er die größtmögliche künstlerische Freiheit und kann links und rechts von den Melodien abbiegen ohne „zu blinken“, heißt die Mitspieler einzubinden. Außerdem geht auch das Kaffeebestellen bei der Ankunft im Flughafen schneller, wie er launisch in einer seiner witzigen Ansagen hervorhebt.

Auf der Bühne ist also nur Bill Laurance  – hochkonzentriert – und der große Steinway C Flügel. In einem Interview äußerte er einmal “I am determined to celebrate the instrument in all its glory, by itself” – und das trifft voll zu, denn er stellt den Steinway wirklich in den Mittelpunkt des Konzertes. Er spielt mit rechter und linker Hand gleichermaßen stark, manchmal übergreift er die Hände unterstützt durch rhythmisches Wippen der Füße, die auch oft die Pedale bedienen. Bedauernd erwähnt er, dass die Tasten keine Filzdämpfung haben, wie sie sein Flügel, mit dem er seine CD eingespielt hat. Ansonsten ist er mit Flügel, Raum und Publikum vollauf zufrieden. Er ist eine sehr angenehme Bühnenpersönlichkeit, die Freude ausstrahlt und ganz ungezwungen Kontakt zum Publikum sucht und leicht findet.
Er beginnt mit dem Titel „Everything exists“ aus seiner neuen Solo CD „Affinity“ eher meditativ. Sucht tastend nach einer Melodie an der er sich gleich weiter ausführt, fügt dann perkussive Rhythmen hinzu und improvisiert auf den relativ einfachen  Melodien, die einem sofort ins Ohr gehen, aber nicht flach klingen. Laurances‘ Kompositionen wohnt eine einfache Schönheit inne, sie berühren einen und heben die Stimmung der Zuhörer. Manchmal verstärkt er sein Spiel mit seinem Synthesizer und schafft so einen dichteren, volleren, mehr sphärischen Klang.

Einen Höhepunkt vor der Pause ist „Peace Piece“ von Bill Evans. Respektvoll spielt er den zarten Traum von Frieden. Wie so oft nimmt er die Grundmelodie des Originals auf, macht daraus aber eine wunderbare Improvisation. „Ich habe da Anker-Melodien und Motive, und auf dieser Grundlage improvisiere ich dann, es ist also nicht völlig frei“, erklärt er im Gespräch mit dem „Schwäbischen Tagblatt“.

In der zweiten Hälfte des Konzerts präsentiert er eher schnellere Stücke, in denen er sich voll verausgabt. Dynamisch mit perlenden Läufen rast er über die Tasten, spielt ein paar eigene Kompositionen, streut dann ein Motiv des leicht erkennbaren Standards „Windmills of your mind“ ein, bevor er sich an „The Curtain“ macht, einer Komposition seines Freundes  und Snarky Puppy Mitbegründer, Michael League, der dieses Stück für das Snarky Kollektiv geschrieben hat. Überraschenden rundet er das Konzert mit der allseits bekannte Melodie von „The House of the Rising Sun“, einer gelungenen, verspielten Version des alten Rock Klassikers von „The Animals“ ab.

Wenn man einen Wermutstropfen in das insgesamt mitreißende Konzert gießen muss, das von den rund 150 Zuhörern mit lang anhaltendem Applaus quittiert wird, dann ist es etwas, was der Künstler nicht zu verantworten hat: Das Licht, das die ganze Bühne im Saal 1 ausleuchtet, ist doch eher für eine Podiumsdiskussion geeignet! Ein Solomusiker verdient in einem Spotlight zu sitzen, ansonsten muss der Raum abgedunkelt sein, so dass der Musiker voll zur Geltung kommt. Auch der sog. backdrop, also der Hintergrund der Bühne, sollte stimmungsvoll angestrahlt werden, so dass die Beleuchtung zur positiven Atmosphäre beiträgt. Es muss aber nicht gleich so gemütlich sein, wie ein Kritiker mal überspitzt über die Musik von Laurance und die dabei entstehende Stimmung schrieb. Konzerte von Bill Laurance seien „A kind of aural warm-bath“.

Helmut Hugo Burkhardt

Portraits von Bill Laurance