Austrian Syndicate im Sudhaus Tübingen 2023

David Helbock          Micro Korg X; ExpressiveE Osmose-Keyboard, Sequential Take 5 (analoger Synthesizer), Crumar Seven – Vintage Stagepiano, Acces Virus (digitaler Synthesizer), Korg Monologue (einstimmiger analoger Synthesizer) & diverse Effektgeräte
Peter Madsen –        Piano,
Raphael Preuschl – Bass
Herbert Pirker –       Drums
Claudio Spieler –     Percussion

Tübingen, 31.10.2023

Fusion-Jazz mit unwiderstehlichem Groove

Das neue Projekt des Pianisten David Helbock, benannt in Anlehnung an das Zawinul Syndicate, ist mehr als nur eine Reminiszenz an den berühmtesten und einflussreichsten österreichischen Jazzmusiker Joe Zawinul. Den großen Neuerer des Jazz, den Pionier des Einsatzes elektronischer Tasteninstrumente, kann man getrost den Großmeister des Fusion-Jazz nennen – ob er bei Miles Davis, Weather Report oder seinem Zawinul Syndicate gespielt hat.

Die Musik des Austrian Synicates steht ganz in der Tradition Joe Zawinuls. Sie ist zugleich Rückbesinnung auf die Wurzeln und die stilistische Fortentwicklung des von Zawinul mit seinem Syndicate (1988 bis 2007) eingeschlagen Weges, dessen Merkmale ungewöhnliche Grooves, treibende Rhythmen, viel Elektronik und Anleihen aus der Weltmusik sind.

David Helbock, der Mastermind des Austrian Syndicates, ist eigentlich Pianist, der schon ein paar Mal in Tübingen aufgetreten ist. Im Syndicate ist er erstmals nur an elektronischen Tasteninstrumenten zu hören. Er umgibt sich mit einer Vielzahl von Keyboards, analogen und digitalen Sythesizern und Effektgeräten (s.o.), so dass man ihn hinter dem Aufbau fast nicht sieht – aber wenn man sich alte Videos anschaut, war das bei Zawinul auch so, der 2007 gestorben ist.

Helbock sitzt auf einem Bürostuhl und wirbelt ganz behände zwischen den Keyboards herum. Er zieht alle Register, mal donnernd, mal zirpend, dann leiser melodiöser, ganz der Mittelpunkt der Band. Am Klavier sitzt Peter Madsen, der im Konzert etwas zu kurz kommt. Der Amerikaner ist der älteste und auch bekannteste Musiker, der schon mit den verschiedensten Jazz-Größen zusammengespielt hat. Madsen, der teilweise in Österreich lebt und Helbocks Lehrer war, sticht als Komponist hervor, denn gut die Hälfte der Kompositionen die aufgeführt werden, stammen von ihm, die andere Hälfte übrigens von Helbock. Nur zwei fremde Kompositionen werden gespielt, die laut Helbock von den beiden bedeutendsten österreichischen Komponisten stammen: Joe Zawinul und Mozart – in dieser Reihenfolge.

Die Schlagwerke sind doppelt besetzt

Ähnlich wie bei Zawinuls Syndicate, sind auch beim Austrian Syndicate die Schlagwerke doppelt besetzt: ein  Drummer (Herbert Pirker) und ein Perkussionist (Claudio Spieler) sorgen für Dynamik und komplexe Polyrhythmen. Vor allem Perkussionist Spieler fällt mit seinem kreativen, teilweisen witzigen Spiel auf. Besonders bei der schönen „Ballade for Schönenbach“ läuft er zur Hochform auf und imitiert mit Pfeifen allerhand Vogelstimmen, die dann von Helbocks Synthesizern übernommen werden und zu  einer wunderschönen Melodie führen. Nur mit einer Handtrommel spielt Spieler dann ein wahnsinniges Solo und singt dazu irgendwie afrikanisch klingende  Laute: Toll! Die Band komplettiert der Bassist Raphael Preuschl, der mit solidem Spiel für die Grooves sorgt. Interessanterweise fehlt In der Besetzung ein Saxophon, das bei Weather Report von Wayne Shorter gespielt wurde.

Das Konzert im Sudhaus Saal beginnt natürlich mit einem Stück von Joe Zawinul: „Money in the Pocket“, einem wilden, elektronischen Ritt,  angetrieben durch Latin-Rhythmik. vom Perkussionisten. Gespielt ganz in Zawinuls Manier: kompliziert aber leicht zu hören.

Nein, dies ist keine Band die Bekanntes nachspielt, sie entwickelt vielmehr ein ganz eigenes, modernes Repertoire. Atmosphärischer Synthie-Sound wechselt sich ab mit mitreißendem Groove, Balladen finden genauso ihren Platz wie schnelle, kraftvolle Stücke, die das Publikum mit großem Applaus quittiert.

Die „jungen Wilden“ des österreichischen Jazz und der gesetztere Sideman am Piano strotzen mit perlendem Piano, viel Percussion, druckvollem Schlagzeug und treibendem Bass vor Energie und Spielfreude. Mit diversen Keyboards, Synthesizern, Effektgeräte gelingt  dem Sound-Tüftler Helbock und seinem Austrian Syndicate ein grenzenloser Fusion-Jazz mit unwiderstehlichem Groove.

Und wenn Helbock am Schluss Mozarts „Komm, lieber Mai“ als afrikanisches Highlife-Spektakel interpretiert, wird klar: Besser kann man Josef Erich „Joe“ Zawinul  – den Wolfgang Amadeus des Fusion-Jazz, nicht huldigen.

Zusammengestellt aus Texten aus Jazzthing, Jazz Echo, Jazzthetik, Rondo

Helmut Hugo Burkhardt

Portraits von David Helbock

Portraits von Herbert Pirker