Tingvall Trio im Sudhaus Tübingen 2023

Martin Tingvall – Piano
Omar Rodriguez Calvo
– Kontrabass
Jürgen Spiegel
– Schlagzeug

Tübingen, 12.5.2023

Ya Man!

Das Tingvall Trio feiert energiegeladen sein zwanzigstes Bühnenjubiläum mit einem begeisterten Publikum im ausverkauftem Sudhaus-Saal

Liebes Publikum, das heutige Konzert mit dem Tingvall Trio ist restlos ausverkauft. Alle Plätze sind belegt. Wir bitten Sie zusammenzurücken und keine Stühle frei zu lassen. Herzlichen Dank für Ihr Verständnis. Sudhaus.“ Ladies and Gentlemen, das Tingvall Trio ist startbereit. Bitte schnallen Sie sich nicht an. Sie werden von der Energie, die sie in den kommenden 2,5 Stunden auf der Bühne von drei pulsierenden Musikern erleben werden, auf ihrem Flug in das Tingvall-verse automatisch nicht in Ihrem Sitz gehalten. Leider gibt es im Konzertsaal keinen Platz zum Tanzen. Bitte hören Sie nun also mit allen Körperteilen zu, absorbieren die musikalischen Wellen und speichern die melodiöse Wärme auf Ihrer emotionalen Festplatte für die kommenden Wochen. Der Pilot Martin Tingvall am Flügel zusammen mit seinen beiden Copiloten Omar Rodriguez Calvo am Kontrabass und Jürgen Spiegel am Schlagzeug tragen Sie nun in die Lüfte des Freitagabends.

Das Tingvall Trio feiert aktuell seinen 20. Geburtstag in der Gründungsbesetzung, sowohl mit einer Tour als auch mit dem neuen Album „Birds“, das noch im Frühsommer 2023 erscheint. „Wir werden immer freier, mutiger“, so Martin Tingvall zu der langjährigen Zusammenarbeit im Trio. Die neuen Stücke waren ins Konzertprogramm eingewoben aus dem neuen Album waren, zum Beispiel „Africa“, „Humming Bird“, ein ruhigeres Stück mit einigen Klavier-Soloparts, und „Birds“, das nach einem coll’arco-Kontrabass-Intro mit Energie das zweite Set eröffnete. Als Zugabe spielen die Musiker das Stück „SOS“ aus dem bald erscheinenden neuen Album. Wie Martin Tingvall kurz erläutert, sei das Stück ein unmissverständlicher Anklang an die aktuelle Krisensituation der Welt.

Im ersten Set stürmen die drei Musiker die Bühne unter anderem mit den Titeln „Puls“, mit „Ya Man“, einem Stück basierend auf einem jamaikanischen Wort, zu Deutsch „klar“ – und genauso lässig wie cool-bejahend war auch die Musik; mit „Cuban SMS“, das mit chromatischen Akkordverschiebungen und dazu wunderbar passenden Rim Clicks am Schlagzeug daherkam und mit „Vägen“ von 2011, wohl einem der ältesten Stücke des Trios, das sie an diesem Abend performen.

Martin Tingvalls Kompositionen

Das Trio kommt mit einem für Martin Tingvalls Kompositionen charakteristischem Tonmaterial in den Melodien, mit vollen beidhändigen Akkorden und Tonrepetitionen am Piano, Unisono-Parts und Soli mit einem virtuosen Kontrabass, einem Schlagzeug-Beat, bei dem man unmissverständlich spürt, dass er aus der musikalischen Region des Rock stammt.

Nun, keine gute Jazzreportage ohne einen kritischen Einwand zum Gehörten, daher hier noch drei Sätze für die Kritiker der Tingvall-Performance: Die Ausführung kommt für das feine Jazzgehör vielleicht präzise, aber nicht ganz total durchgängig hyperfiligran daher. Eine – ähnliche, wohlgemerkt: ähnliche – Zusammensetzung des Tonmaterials mag man vielleicht schon mal gehört haben. (Nun, wir befinden uns in der tonalen Musik, also gibt es zwar und zum Glück unendliche Möglichkeiten in der Komposition, aber es gibt eben in dieser Musik immer noch, vom Prinzip, ein tonales Zentrum, was man von anderer Musik vielleicht gar kennt.) All dies könnte, drittens, zusammengenommen vielleicht „etwas gefällig“ wirken.
Well … – Try it yourself. Fail. Fail again. Fail better! – sagt da die Autorin dieses Artikels zu diesem by the way aufgeschnappten Publikumskommentar. Well…, und vielleicht, ganz vielleicht ging es gar nicht so sehr um die allerbeste pianistische Präzisionsschneidemaschine an diesem Abend.

Denn: Das Tingvall Trio mit seiner leuchtenden und auch, ja, frohen Musik wirkt und spielt im Klang verzahnt als eine Einheit. Womöglich ist es auch nach 20 Jahren der Zusammenarbeit eine Einheit, jedoch mit 3 individuellen musikalischen Charakteren, die mit ihrem Backround zum Gesamtklang beisteuern. Martin Tingvall, Omar Rodriguez Calvo und Jürgen Spiegel bestechen als Trio durch ihre mitreißende Energie, die sich auf das Publikum im ausverkauften Saal durch ihre Musik überträgt. Diese energetische Kraft kombiniert mit Virtuosität am Instrument in einem Zusammenspiel, in dem ein Ton frei in den anderen greift, sich schichtet, mal in die Welt ausreißt, schließlich: in dem etwas auf der Bühne passiert, gepaart mit einer Zugewandtheit zum Publikum – so eine wage Vermutung – ist die Qualität des Trios.

Nicht zuletzt kommt im Publikum an: Ya Man, feiert die Musik und das Leben, trotz aller Widrigkeiten. Vielleicht ging und geht es neben und mit aller Virtuosität an diesem Abend mit dem Tingvall Trio einfach auch mal genau um das.

Anna Ohlmann

Portraits von Martin Tingvall

Portraits von Omar Rodriguez Calvo

Portraits von Jürgen Spiegel