Tingvall Trio bei den Theaterhaus Jazztagen 2025
Martin Tingvall (p)
Omar Rodríguez Calvo (b)
Jürgen Spiegel (dr, perc)
Stuttgart, 18. April 2025
Martins veritable Vogelfluglinie
Zweiter Act des Abends am 18. April im Theaterhaus ist das Tingvall Trio. Seit 2003 in genau dieser Besetzung unterwegs, immer noch unter Strom und produktiv: da muss eine besondere Magie zwischen diesen Wahl-Hamburgern wirken. Davon konnte sich das Publikum im voll besetzten Saal T2 überzeugen. Martin Tingvall, der gebürtige Schwede, spielte nicht nur bekanntes und auch bislang unveröffentlichtes Material, sondern auch, huch, Luftgitarre. Nicht wirklich, natürlich! Der Titel Airguitar ist vielmehr eine Verbeugung vor Carlos Santana, exaltiertes Posing bleibt also aus. Stattdessen gibt es diese Tingvall-typische und einzigartige Melange aus kraft- und druckvollem Ensemblespiel und skandinavisch inspirierter Melancholie. Damit haben die Drei von der Waterkant das Publikum mal g´schwind in der Tasche, welches sich dann auch enthusiastisch mit reichlich Applaus bedankt.
Woodpecker heisst das Eröffnungsstück, ein Titel vom 2023 erschienenen Album Birds, das von Tingvalls Liebe zu den Vögeln inspiriert ist und auch von seiner Sorge um die „Musiker der Natur”, wie er es selbst ausdrückt. Das Thema, von Omar Rodriguez Calvo auf dem Bass gespielt, schmeichelt sich ins Ohr und will dort bleiben: ein schöner Auftakt.
Ein neues Album ist auch schon im Entstehen, das Publikum darf daran teilhaben. Die nächsten beiden Titel nämlich haben noch keinen solchen und sind damit gewissermaßen Erlkönige im Testlauf, bevor es dann ins Studio geht. Eine sehr spannende Herangehensweise, möglicherweise ein Schlüssel zur Einzigartigkeit und Qualität dieser Combo. Wie in Hummingbird etwa, in dem der Flügelschlag dieses erstaunlichen Winzlings sich in den lebendigen Figuren von Piano und Schlagzeug wiederfindet. Oder im sehnsuchtsvollen Vägen, welches zur Reise nach innen und somit zu sich selbst einlädt. Ist das Jazz? Ist es Pop? Und wieviel Rockmusik steckt in der Musik des Tingvall Trios, wenn das muskulöse Spiel Jürgen Spiegels die Felle seines Schlagzeugs ordentlich vibrieren lässt?
Temporeicher Highspeed-Modus
Egal. Bestens aufeinander eingespielt machen die Drei ihr Ding, minimalistisch-sparsam und im dichtgepackten, temporeichen Highspeed-Modus. Die Menschen im Saal goutieren das. Wohl auch, weil der Chef dieser Spielvereinigung mit seiner publikumsnahen Moderation und mitunter selbstironischen Einblicken in das Musikerleben überzeugt.
SOS, so heisst das letzte Stück vor der Zugabe, wird von Tingvall mit einem emotionale Statement zur Weltlage angesagt. Ist ja auch einfach vieles recht beängstigend momentan. Umso mehr kann man dankbar sein, wenn so ein wundersames Ding wie Musik Trost und Kraft spendet. So wie die des Tingvall Trios.
Portraits von Martin Tingvall
Portraits von Omar Rodriguez Calvo
Portraits von Jürgen Spiegel
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