Johnathan Blake & Pentad im Jazzclub Bix 2025
Johnathan Blake (dr)
John Ellis (sax/ewi)
Fabian Almazan (p, electronics)
Jalen Baker (vib)
Ben Street (b)
Stuttgart, 09.10.2025
Ein „Drummer-Schwergewicht“ und der Hurrikan am Vibraphon
Als der schwergewichtige Mann mit den Drumsticks in der Hand am Abend die kleine Bühne des Stuttgarter Jazzclubs betritt, macht sich wahrscheinlich so manch einer der Zuschauer, im gut gefüllten BIX, Gedanken, wie diese imposante Erscheinung wohl hinter das hauseigene Drumset passt. Doch bereits nach kurzer Zeit verpufften diese Sorgen, als Johnathan Blake mit seiner spielerischen Leichtigkeit und seiner technischen Versiertheit das Publikum überzeugte.
Der „ultimative Modernist“ und seine Familienangelegenheiten
Der 1976 in Philadelphia geborene Schlagzeuger wird von der Fachpresse als ultimativer Modernist bezeichnet, für den Musik schon seit je her eine Familienangelegenheit war. Der Sohn des Jazzviolinisten John Blake Jr, begann mit zehn Jahren das Schlagzeugspiel und absolvierte an der High School ein Jazzstudium. In dieser Zeit begann er auch als professioneller Musiker zu arbeiten, unter anderem bei Roy Hargrove und David Sanchez. 2006 erhielt er den ASCAP Young Composers Award und schloss sein Studium mit dem Master in Komposition ab.
Für Johnathan Blake war Musik immer eine Familienangelegenheit. Das wurde besonders bei seinen ersten beiden Alben für Blue Note deutlich. “Homeward Bound”, das Titelstück seines 2021 erschienenen Debüts für das Label, war Ana Grace Marquez-Greene gewidmet. Ana Grace, die 2012 dem Sandy-Hook-Massaker zum Opfer fiel, war die Tochter des Saxofonisten Jimmy Greene und der Flötistin Nelba Marquez-Greene – zwei langjährigen Freunden von Johnathan. Zwei Jahre später veröffentlichte der Schlagzeuger das Album “Passage”, das eine Hommage an seinen Vater war, dem wichtigsten Mentor seiner musikalischen Entwicklung.
Die Stimme gegen Ungerechtigkeit erheben
Kernstück des musikalischen Abends ist sein neues Album „My Life Matters“, das in diesem Jahr bei Blue Note erschien. Hierbei handelt es sich um ein komplexes Musikstück, das sich mit der Idee beschäftigt, sich gegen die Ungerechtigkeiten dieser Welt zu wehren und seine Stimme zu erheben. Denn wenn wir schweigen, so Blake in einem seiner Statements, werden wir ein Teil des Problems. Die Suite wurde von der Jazz Gallery in New York City in Auftrag gegeben und mit seinem Quintett Pentad eingespielt. Der Schlagzeuger bezeichnet seine Band als fünf Individuen, die für das gemeinsame Ziel zusammenkommen, möglichst „ehrliche Musik“ zu machen. Und so hat jeder der Musiker an diesem Abend seinen individuellen Raum, der bei den aneinander gereihten Solos zum Ausdruck kommt.
Besonders Jalen Baker am Vibraphon sorgt mit seiner horrend schnellen Schlaggeschwindigkeit immer wieder für kurze Beifallsstürme aus dem Publikum. Ein Hurrikan an diesem Instrument so könnte man Baker wohl bezeichnen. Seine Solis sowie die ausgefeilte Spielweise des Pianisten Fabian Almazan stehen meist im Mittelpunkt des musikalischen Geschehens, Saxophonist John Ellis ist eher zuständig für kurze Ausflüge in den Free-Jazz. Blake und Ben Street am Bass sorgen für einen soliden Unterbau. Es entsteht ein intuitiver dichter Sound, der auf Vertrauen beruht und viel Spontanität zulässt.
Abwechslungsreiche Eigenkompositionen und die Würdigung an Jazz-Legenden.
Blakes Stücke sind abwechslungsreiche Originalkompositionen, in denen es einerseits um die soziale Notwendigkeit geht, gegen Ungerechtigkeit aufzubegehren, andererseits aber auch um die Bedeutung von Familienwerten. Wie wichtig ihm letztere sind, unterstreicht Johnathan Blake dadurch, dass er seine Ex-Frau und die beiden gemeinsamen Kinder – Tochter Muna und Sohn Johna – in die Arbeit an dem Album einbezog. Seine Ex-Frau Rio Sakairi gab vielen Stücke ihre Titel und verfasste auch das Gedicht “I Still Have A Dream”, das von Muna in dem gleichnamigen Stück rezitiert wird.
Johna ist wiederum mit einem kurzen Bass-Solo in “We’ll Never Know” zu hören, dass aber an diesem Abend von dem bis dahin äußerst zurückhaltenden Ben Street gespielt wird. Blake, der mit der Creme de la Creme der Jazzwelt zusammengearbeitet hat, würdigt dann gegen Ende des Konzertes noch zwei der ganz Großen aus der Jazzgeschichte, Joe Henderson und Thelonoius Monk. Und so geht nach hundert Minuten ein inspirierender Abend zu Ende, der qualitativ äußerts hochwertig daherkam, aber auch sehr zum Nachdenken über die Ungerechtigkeiten der Gegenwart anregt. Johnathan Blake, ein Schlagzeuger und Komponist, der sich über seine Musik zu Wort meldet und es auch an diesem Abend im BIX getan hat.
Harald Kümmel
Portraits von Johnathan Blake
Portraits von Fabian Almazan
Portraits von Ben Street












