Defant/Hautzinger/Pöcksteiner/Prowaznik im Jazzclub ZWE Wien 2023

Anna-Sophia Defant, p
Franz Hautzinger, tr
Tobias Pöcksteiner, b
Michael Prowaznik, d

Wien, 5.1.2023

Beeindruckender Start ins neue Jazzjahr

Wenn man in Wien ist, sollte man auch in den Jazzclub ZWE gehen.

Gesagt getan. Da mir keiner der Namen, die ich im Programm des Abends gelesen hatte, bekannt war, wollte ich mich gerne überraschen lassen. Durch meine Anwesenheit erhöhe ich sofort den aktuellen Altersdurchschnitt. Bei 30 ist er an diesem Abend aber noch immer nicht. Ich bin tatsächlich sehr überrascht und erfreut, daß jazzinteressiertes Publikum auch eine andere Haarfarbe als grau und weiß haben kann.

Der Club war vorerst nur mäßig besetzt, als ich ankam. Zu Beginn des Konzertes war dann jedoch kein Sitzplatz mehr frei. Ein Flügel, E-Bass im Hintergrund, Schlagzeug und eine Trompete mit jeder Menge Elektronik erwiesen sich als äusserst vielversprechend.

Die Stimmung im Raum war absolut entspannt, man unterhielt sich, bestellte Getränke, begrüßte Bekannte. Kurz nach 20 Uhr war es dann soweit: Anna-Sophia Defant nimmt am Klavier Platz, Tobias Pöcksteiner hängt sich seinen E-Bass um, Michael Prowaznik richtet sich hinter dem Schlagwerk ein und Franz Hautzinger und seine Vierteltontrompete nehmen ihren Platz ein, Fußschalter für die vielfältigen Effekte werden tätig.

Schon nach einigen Minuten ist klar, dieser Abend wird spannend. „…so geht es auf eine Reise in avantgardistisches Neuland, das gemeinsam erforscht wird.

So stand es im Programm. Das gesamte Publikum, mich eingeschlossen, war begeistert, diese Reise mitzumachen. Hinter jeder Biegung ein neuer Rhythmus, ein neuer Ton, eine neue Melodie. Hier schleicht sich ein leiser Trompetenton an, da kommt Bass und Schlagzeug mit eigenartigen, aber doch originellen Phrasen ins Spiel. Immer wieder kommen auch vom Klavier unbekannte Tonfolgen… und doch passt alles immer irgendwie zusammen. Es blieb spannend bis zum letzten Ton. Das wollten wir aber dann doch genauer wissen und haben nach dem Konzert folgendes Interview mit Anna-Sophia Defant geführt:

Seit ihr eine reine „Workingband“, ohne eigenen Namen?

Ja genau. Auch wenn ich darüber nachgedacht hatte, wollte ich dann zuletzt doch die Individualität der einzelenen Musiker:innen wahren indem auch alle mit ihrem eigenen Namen genannt werden. Ich wollte da einfach möglichst egalitär und geradlinig bleiben.

Wie lange spielt ihr schon zusammen?

Dieses Quartett habe ich für das Konzert im Zwe am 5.1.23 erstmals zusammengestellt. Also in genau dieser Besetzung haben wir uns erst einige Tage vor dem Konzert zusammengefunden. Allerdings kenne ich persönlich die einzelnen Mitmusiker jeweils schon länger.
Franz habe ich auf einem Jazzseminar im Waldviertel, an dem ich teilgenommen habe und bei dem er als Referent tätig war, vor über 10 Jahren kennengelernt. Wieder getroffen haben wir uns dann vor einigen Monaten im Celeste bei der Monday Improvisors Session.
Michael Prowaznik und ich haben erstmals letzten Sommer ein Konzert zusammen gespielt – und zwar gemeinsam mit meinem Duopartner, Bernhard Hadriga, und Michaels langjährigem Musikerkollegen, Raphael Preuschl.
Tobias Pöcksteiner kenne ich seit einigen Jahren durch einen Sommerworkshop in Scheibbs namens Intertonale. Tobias ist dort Teil des Organisationsteams und leitet die Sessions. Dort haben wir auch erstmals zusammen musiziert.

Wieviel war bei eben Gehörtem komponiert und wieviel improvisiert?

Im Grunde waren alle Stücke improvisiert. Wir haben allerdings im Rahmen unserer Probenarbeit durchaus einen gewissen roten Faden besprochen, der sich durch den Abend ziehen sollte. Das heißt wir haben darüber gesprochen, welchen Sound wir uns alle vorstellen und wo die Reise hingehen soll. Weiters haben wir das Konzert durch unterschiedliche Besetzungen bzw. Energielevels strukturiert. So haben wir zum Beispiel festgelegt, ob ein Stück auf einem hohen oder niedrigen Level, mit einem Solo, Duo, Trio oder Quartett beginnen soll. Wir wollten damit aber nie vollendete Tatsachen schaffen.
Der Grundgedanke dieses Quartetts war möglichst jeden individuellen Stil der einzelnen Musiker:innen miteinzubeziehen und Raum für die jeweilige musikalische Persönlichkeit zu schaffen bzw. freizulassen. Wir haben durchaus bewusst die Improvisation ins Zentrum gestellt, da so alle Beteiligten möglichst authentisch und ‚in the moment‘ sein konnten.
Ich habe mir zum Beispiel im Vorfeld schon genau überlegt, welche Personen ich gerne in der Band hätte und weniger, welches Instrument und welche Noten. Ich wollte den amerikanisch geprägten Stil von Michael am Schlagzeug mit meiner eher abstrakten und aus der zeitgenössischen Musik orientierten Herangehensweise kombinieren. Dazu wollte ich durch Franz und seinen sehr individuellen Stil eine gewisse ‚abgespacte‘ Komponente hineinbringen. Gemeinsam haben wir dann beschlossen, dass uns ein Bass noch das fehlende erdende Gegengewicht zu all den genannten Elementen bringen würde. Und da ich Tobias als Mensch und Musiker wahnsinnig schätze, konnte ich ihn mir in dieser Funktion sehr gut vorstellen und war sehr froh, dass er auch gleich dabei war.

Wer sind Deine größten Vorbilder bzw. wer hat Dich am meisten in Deinem musikalischen Werdegang beeinflusst?

Das ist eine coole Frage, weil es tatsächlich noch nicht so lange zurückliegt, dass ich ein musikalisch sehr prägendes Erlebnis hatte. Und zwar war das eh auf der Intertonale, durch die ich auch Tobias kennengelernt habe. Da hat es 2020 einen Workshop mit Christian Lillinger zum Thema Struktur und
Improvisation gegeben. Das war eine sehr inspirierende Woche für mich, da seine künstlerische Herangehensweise an die Improvisation mich damals abgeholt hat. Ich habe ja eigentlich klassisches Klavier (IGP) an der mdw studiert. Da gab es – wie man sich vielleicht vorstellen kann – nicht sehr viel Raum für Improvisation an sich. Durchaus habe ich aus dem Studium und auch schon aus der kammermusikalischen Arbeit mit meiner Schwester an der Musikschule davor aber einen Umgang mit zeitgenössischer Musik mitnehmen können. Das habe ich sehr spannend gefunden. Ich habe schon auch Wahlfächer im Bereich Improvisation und Jazz bzw. Popularmusik als Schwerpunkt belegt. Da gab es auch sehr interessante Momente – besonders im Ensembleunterricht von Manon Winter und Burkhard Stangl. Jedenfalls konnte ich bei Christian Lillingers Kurs sehr gut an all das anschließen. Er hat meiner Meinung nach auch einen Kunst-Anspruch an die Musik gestellt, der mir persönlich sehr wichtig ist. Außerdem hat er das Feld der freien Improvisation durch den Schwerpunkt auf Struktur auch deutlich von jeglicher Esoterik abgegrenzt. Er hat schon eine gewisse „Radikalität“ oder sagen wir Kompromisslosigkeit an den Tag gelegt, die ich persönlich auch wichtig finde, wenn man künstlerisch etwas erreichen will.
Ich möchte die Frage oben noch ein bisschen umformulieren indem ich mich nicht nur auf musikalische Vorbilder begrenzen möchte, sondern vielmehr auf künstlerische Vorbilder: hierbei wäre nämlich als vielleicht wichtigste Inspiration mein Großvater, Anton Thuswaldner, zu nennen. Er war Bildhauer und Maler und hat mich auf meinem musikalischen Weg sehr geprägt und auch unterstützt. Hauptverantwortlich für diese Unterstützung waren aber meine Eltern, die mir immer alles ermöglicht haben und mir gleichzeitig das notwendige Commitment beigebracht haben, Dinge auch durchzuziehen. Außerdem waren unsere gemeinsamen Reisen immer sehr geprägt von Kultur – wir haben wahnsinnig viele Museen, Ausgrabungsstätten und natürlich Konzerte besucht und davon ist schon viel hängengeblieben.

Beeindruckend war auch das Publikum. Bei den leisen Passagen hat man bemerkt, dass alle konzentriert zugehört haben. Kein Wort war zu hören. Wie hast Du das empfunden?

Ja das ist mir – vor allem im Nachhinein beim Durchhören der Aufnahme – auch sehr positiv aufgefallen. Und das, obwohl das Zwe wirklich nicht groß ist und die Bar und das Konzert auf engstem Raum zusammenliegen. Das war für uns alle eine schöne Bestätigung, dass wir mit unserer Musik eine Energie bzw. einen Raum schaffen konnten, in den man eintauchen konnte. Da wir ja von unseren Ohren und der Aufmerksamkeit aller sehr abhängig sind in der improvisierten Musik, war das definitiv wichtig.

Bist Du öfters im Jazzclub zwe zu hören?

Öfters wäre übertrieben. Ich habe vor ziemlich genau einem Jahr einmal mit meinem Duo søch und zwei Gästen, Lukas Aichinger und Vincent Pongrácz hier gespielt. Ich würde mich aber sehr freuen, wenn sich bald wieder eine Gelegenheit ergeben würde, weil ich das Zwe – besonders in seiner heutigen Form, die wir Christoph Klein zu verdanken haben – sehr schätze.

Wie sind Deine nächsten Pläne? Worauf dürfen wir uns freuen???

Ich darf am 31.1.23 meine erste EP mit dem Duo søch im ORF Radiokulturhaus in Wien präsentieren. Die CD ist eine Live-Aufnahme von unserem Debüt-Konzert im Rahmen des Jazzfestivals Saalfelden 2021 und trägt den Titel „While We Wait“. In weiterer Folge ist mit dem Duo auch ein Album geplant.
Ich hoffe aber sehr, dass in der Besetzung mit Franz Hautzinger, Tobias Pöcksteiner und Michael Prowaznik noch weitere Konzerte zustande kommen werden. Die Musik, die in der relativ kurzen gemeinsamen Zeit bereits entstanden ist, macht mir sehr große Freude und macht mich auch neugierig auf alles, was da noch kommen mag.

Vielen Dank für dieses Gespräch und Alles Gute weiterhin

Das Interview mit Anna-Sophia Defant führte Rainer Ortag

Portraits von Anna-Sophia Defant

Portraits von Franz Hautzinger

Portraits von Tobias Pöcksteiner

Portraits von Michael Prowaznik