zuMUTung bei der Biennale Sindelfingen 2025

Paul Schobel – Texte
Lily Merker – Sprecherin
Carsten Netz – Klarinette, Saxophon, Flöte
Jo Ambros – Gitarre, Komposition
Uwe Lange – Kontrabass
Jogi Nestel – Schlagzeug
Sindelfingen, 17.7.2025
Ein nimmermüder Pfarrer a.D. und ein exzellenter Gitarrist finden die richtigen Töne
Der Berliner Gitarrist Jo Ambros lässt mit seinen Musikerkollegen in der Sindelfinger St. Maria Kirche mit den Texten von Paul Schobel aufhorchen. „zuMUTung“ nennt sich die CD, die dort präsentiert wurde.
Im allgemeinen Trend lag der nunmehr 86-Jährige Böblinger Pfarrer Paul Schobel bereits während seiner Zeit als katholischer Betriebsseelsorger nie. In Zeiten der Aufrüstung rüstet auch er auf – allerdings mit Worten! Er nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um Gerechtigkeit und Frieden geht. In Jo Ambros, gebürtiger Böblinger, hat er einen Bruder im Geiste gefunden, der es bereits glänzend verstand, mit einer CD-Trilogie Revolutionslieder in ein neues Gewand zu stecken. Was lag näher, als Text und Musik zusammenzuführen!

Ambros, mit allen Gitarrenwassern gewaschen, nahm diese Herausforderung gerne an. Nicht nur dass dieser zwischen Jazz und Folk so ziemlich alle Gitarrentechnik-Pfeile im Köcher hat, sondern er liefert auch kompositorisch. Bereits beim letzten Böblinger „Sommer am See“ trat er mit dem „frimfram collective“ den Beweis an. Nun also am vergangenen Donnerstagabend auf dem Goldberg auf ein Neues. Die Veranstaltung in der Kirche hätte es verdient gehabt, bis auf den letzten Platz gefüllt zu sein. Dem war leider mitten in der Woche nicht so, dennoch erschien eine ansehnliche Anzahl von Freunden guter Musik in Kombination mit nicht ganz alltäglichen Texten.

Zunächst bedauerte Ambros bei seiner Anmoderation, dass weder Sängerin Sandra Hartmann aufgrund einer Erkrankung dabei sein konnte, noch der „Ersatz“, ein Nürnberger Schauspieler, der ebenfalls sehr kurzfristig absagen musste. Glücklicherweise konnte Lily Merker vom Stuttgarter Staatstheater einspringen. Diese trug schließlich die Texte so versiert und synchron vor, als würde sie das tagtäglich in dieser Besetzung tun. Zunächst ohne sie und Carsten Netz (Saxofon, Klarinette, Querflöte) begann die verbliebene Triobesetzung stimmungsvoll mit dem Titelsong von Ambros‘ „Bread and Roses“- CD. Jogi Nestel, Schlagzeuger der Sindelfinger Musikschule, ersetzte Thorsten Krill von „Thorsten Krill’s frimfram collective“, wie auch schon beim Sommer am See und Uwe Lange zupfte den Kontrabass. Feine Gitarrenlicks auf der Konzertgitarre garnierten den meditativen Beginn. Es folgten Stücke, die Schobel unter die Rubriken „Leben & Lieben“. „Kapitalismus“, „Solidarität“, „Friede“ und „Evangelium“ gestellt hat; musikalisch passgenau zum Text, mit einer herausragenden Dynamik und einer ebensolchen Kreativität. Netz ließ seine Holzblasinstrumente „sprechen“, Mimik und Gestik verrieten wie tief er in den Vortrag eintauchte. Je nach textlicher Stimmung wurde der Kontrabass auch gestrichen, effektvoll mit Obertönen versehen oder durch einen E-Bass ersetzt. Nestels einfühlsame weiche Strohbesen- und Drumstickarbeit wich kraftvollen militärischen Snaredrum-Wirbeln und Ambros überraschte plötzlich mit technisch hochversierten auftauchenden Phrasen.

„Krieg – du Scheusal der Menschheit: Fahr zu Hölle, von dort kommst du und dort gehörst du hin!“ und „Einmal mehr hat sich der Unfriede in der Welt in kranken Hirnen und verbrecherischen Knallköpfen zu einem explosiven Gemisch verdichtet, das nun krachend detoniert.“ – 2 Sätze aus „Friede“, die an Bissigkeit nur noch in Schobels „Zwischenruf“ am Ende des musikalischen Vortrages getoppt wurden: „Seit etwa 300.000 Jahren, so glaubt man, geistert der „Homo sapiens“ über unseren Planeten. „Sapiens?“ – Eines hat der Blödmann bis heute nicht gelernt, nämlich Konflikte gewaltfrei zu lösen. Der Idiot schmiedet immer noch Panzer, befüllt Raketen mit Sprengstoff und Gift, baut Atomwaffen und verdunkelt den Himmel mit Killerdrohnen. Solange ihm nichts Besseres einfällt, als auf Befehl und mit System zu morden, würde ich ihm das Prädikat „sapiens“ aberkennen. Denn dümmer geht’s nicht“. Manchen Besuchern, tief gerührt, standen sogar die Tränen in den Augen. Gemeinsam mit der Band sangen sie am Ende Pete Seegers Friedenslied „Sag mir wo die Blumen sind“ (Where Have All The Flowers Gone).
Text und Fotos Bernd Epple
Portraits von Jo Ambros
