Rainer Tempel im Sudhaus Tuebingen

Rainer Tempel, Klavier
Bastian Stein, Trompete
Christian Weidner, Saxophon
Felix Fromm, Posaune

Tübingen, 21.1.2022

Zeitspiele

3´00´´ steht als Titel über dem Programm, das der Tübinger Pianist Rainer Tempel zusammen mit 3 Bläsern auf der großen Sudhausbühne präsentierte. 3`00„ ist eine schlichte Zeitangabe und stellt eine Art Selbstbeschränkung dar, mit der sich das ungewöhnliche Quartett zumindest für den ersten Teil des Konzerts auf insgesamt 12 Stücke festlegte, die in diesem Drei-Minuten-Limit zumindest quantitativ bestens in gängige Radioformate passen würden. Nur sie klingen sie nicht unbedingt so, wie moderne Programmdesigner ihre Radioshows konzipieren.

Der Pianist, Komponist und Arrangeur Rainer Tempel steht von jeher für eine ganz eigene Klang – und Harmoniewelt, die auch immer wieder die Grenzen der gängigen Jazzgenres missachtet oder positiv ausgedrückt durchlässig macht – eben um Anderes und Neues auszuprobieren.

Und auch schon immer sind es die manchmal ein bisschen beiläufig daherkommenden aber fein ziselierten Ansagen, in denen sich oft Zugänge zur Musik finden lassen.

Dreiminüter

Der erste Dreiminüter mit dreistimmigem Trompeten – Saxofon – Posaunen – Satz und Mini-Trompetensolo war zunächst eine Art Einhörübung fürs Publikum, und die Geschichte dazu, die Rainer Tempel anschließend erzählt, eröffnet zusätzliche Dimensionen. „On Wilshire Boulevard“ heißt das Stück, in dem es aber nicht nur um diese große Straße mit vielen Musikclubs in Los Angeles geht, sondern auch um die quälenden Erlebnisse von Rainer Tempel als Juror bei Jugend musiziert – Wettbewerben.

Weiter mit „scaling life„, einem Stück, in dem scales, also Tonleitern wichtig sind, in dem viel gezählt wird. Mathe und Musik. Alle Kompositionen eint: Enges gemeinsames Spiel, exakt aufeinander eingespielte Bläser, die immer wieder für kurze Momente nach vorne treten, alles zusammengehalten von Rainer Tempel am Flügel. Der Zyklus zeigt, wie unterschiedlich Zeit, in diesem Fall eben die drei Minuten, klingen und wirken können. Man wisse das ja eigentlich, so Tempel in einer seiner Moderationen, drei Minuten, die man auf einen Bus warten müsse, empfinde man anders als drei Minuten einer Verlängerung in einem Bundesligaspiel.

Bigband – Stücke im Miniaturformat könnte man die Dreiminuten – Kompositionen nennen. Sie sind Konzentrate, und wären natürlich auch denkbar als ausgedehntere Werke für unterschiedliche und größere Besetzungen. Aber an diesem Abend fehlt keine Rhythmus- und keine Streicher- oder Bläsergruppe. Es geht um Konzentration.

Sicher ein Höhepunkt in der zweiten Hälfte des Dreiminüterprogramms: Plötzlich weht ein Hauch von New Orleans durch den Sudhaus – Saal, scheinen Jazz – & Blues – Harmonien durch. Bastian Stein spielt scharfe Trompetentöne, eine Hommage an Thelonius Monk. Also sind wir ja irgendwie doch beim Jazz gelandet. „Kite Player“ heißt eines der letzten Stücke des ersten Konzertteils. Rainer Tempel hat es seinem langjährigen Begleiter Christian Weidner am Saxofon gewidmet, der wunderbare Töne durch den Saal fliegen lässt.

Nach der Pause ein Querschnitt

Wir spielen noch ein bisschen Musik, weil das ja unser Beruf ist“ – so begrüßt Tempel das Publikum zum zweiten Set. Auch wieder so ein Tempel – Satz. Könnte zum Nachdenken anregen, über diesen Beruf in dieser besonderen Zeit. Zu hören gibt`s jetzt vier längere Stücke aus mittlerweile 25 Jahren, in denen Rainer Tempel mit unterschiedlichsten Formationen im Sudhaus aufgetreten ist. Ein Querschnitt durch das Werk eines Komponisten und Klangkreateurs, der egal ob im Holzbläserensemble, in einer electric-band, in einer „klassischen“ BigBand oder mit Symphonieorchester (oder eben im 3`00„ – Quartett) von einer Jazzbasis ausgehend immer wieder überraschende Ausflüge im neue Regionen wagt; und das mit immer erkennbarem eigenem Ton, mit einer unverbindlichen Ahnung von Tiefe, mit Eleganz und Witz. Ein gelungene Ensembleleistung auch des Veranstaltertrios Sudhaus, Jazz im Prinz Karl und Jazzclub Tübingen. Und das Schöne: Man will weiter hören, nach 3`00´´. . .

Tom Hagenauer

Portraits von Rainer Tempel

Portraits von Bastian Stein

Portraits von Christian Weidner

Portraits von Felix Fromm