jazztime Böblingen – Dexter Gordon & more – Kongresshalle Böblingen 2023

Olga Voichenko, Gesang
Ekkehard Rössle, Saxofon
Tilman Jäger, Piano
Paul Müller, Kontrabass
Andy Witte, Schlagzeug

Böblingen, 17.2.2023

Schwäbische Jazzformation trifft auf ukrainische Sängerin

Die Böblinger Jazztime-Macher haben sich für ihr Dexter Gordon – Programm eine besondere Musikerkombination an Bord geholt

Ekkehard Rössle (Saxofon), Tilman Jäger (Piano), Paul Müller (Kontrabass) und Andy Witte (Schlagzeug) kennen sich schon eine gefühlte Ewigkeit. Mit einer ukrainischen Jazzerin gemeinsam auf der Bühne zu stehen, um vornehmlich amerikanische Musik zu spielen; das war neu für die Musiker. So geschehen am Freitagabend bei der gut besuchten ersten Jazztime-Veranstaltung des Jahres. „Dexter Gordon & more“ war diese übertitelt und neben den Werken des Tenorsaxofon-Giganten Gordon (1923 – 1990) fanden an diesem Abend auch jazzige Bearbeitungen ukrainischer Volksweisen Platz. Die ukrainische Jazzsängerin Olga Voichenko brachte sie aus ihrer Heimat mit und Tausendsassa Tilman Jäger arrangierte die Lieder in gewohnter Klasse für diese Formation.

Doch zunächst stand der Hard Bop – Saxofonist Dexter Gordon im Vordergrund. Er wäre am 27. Februar 2023 hundert Jahre alt geworden. Grund genug, ihn für sein Lebenswerk zu würdigen. Schließlich war Dexter einer der ganz großen Tenorsaxofonisten der 40er, 50er und 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, der vor allem mit seinem voluminösen, aber auch geschmeidigen Ton von sich reden machte. Neben anderen Saxofonisten, wie Charlie Parker, Lester Young oder John Coltrane, darf auch er in die Reihe derer eingeordnet werden, die diese Ära maßgeblich geprägt haben.

Dass Tilman Jäger auf die Idee kam, für dieses Event bei Ekkehard Rössle anzuklopfen, verwundert nicht, wenn man die musikalischen Berührungspunkte der beiden kennt. Schließlich verfügt dieser Saxofonist über Qualitäten, die ihn zum idealen Dexter-Interpreten machen. „Ekkehard ist mit seiner Bandbreite immer wieder eine Wundertüte“, schmunzelte Jäger nach dem Konzert. Und Jäger hat mit ihm, Witte und Müller bis vor rund zehn Jahren recht häufig zusammengespielt. Man kennt sich also aus dem Effeff, beziehungsweise konnte bei dieser Reunion auf alte Werte zurückgreifen. Im Verlauf des Konzertes schaukelten sich Rhythmusgruppe und Saxofon zu wahrlichen Glanzleistungen hoch, sodass es auch beim Publikum kein Halten mehr gab. Frenetisch wurde jede Nummer und jedes Solo beklatscht.

Zuckerguss eines Jazzgourmet-Kuchens

Und Olga Voichenko? Sie war mehr als nur ein i-Tüpfelchen auf dem Zuckerguss eines Jazzgourmet-Kuchens. Anfangs bei den ukrainischen Volksweisen noch sehr zurückhaltend und melancholisch klagend, „swingte“ sie sich immer mehr in die Dexter-Grooves ein. Messerscharf intonierte Unisono-Phrasen mit Rössle oder auch ein überaus variabler Scatgesang offenbarten was in dieser Sängerin steckt. Aufgrund der Ukraine-Krise ist sie vor einem knappen Jahr nach Aalen gezogen. Die Professorin für Pop-Jazz-Gesang unterrichtet zwar noch online an der Musikhochschule Kiew, hat aber längst auch hierzulande ihren Anker ausgeworfen und traf so auf den Bassisten Paul Müller, über den sie zur Jazztime fand. Die Gewinnerin des „Grand Prix of the International Jazz Contest (voc)“, die in friedlicheren Jahren bereits durch zahlreiche europäische Länder und Japan tourte, wird mit ihrer sonoren, warmen und facettenreichen Stimme sicher auch in unseren Breiten sukzessive auf sich aufmerksam machen. Da waren sich im Pausengespräch auch das Künstlerehepaar Scheppach/Bakenhus aus Böblingen einig: „Die Sängerin ist sehr gut und unheimlich präzise!“. In der zweiten Halbzeit drehte diese aber nochmals richtig auf, sowie Rössle in bester Gordon-Manier, der leichthändige Jäger mit feinen Soli und ebensolchen Harmonieverbindungen, Drummer Witte mit einem brillanten polyrhythmischen Schlagzeugsolo und Müller, der sowohl solistisch glänzte, als auch harmonisch für Struktur sorgte. Summa summarum ein kulturelles Aushängeschild für gelungene schwäbisch-ukrainische Zusammenarbeit.

Bernd Epple

Portraits von Olga Voichenko

Portraits von Ekkehard Rössle

Portraits von Tilman Jäger

Portraits von Paul Müller

Portraits von Andy Witte