Jakob Dreyer – Roots and Things

Jakob Dreyer – Bass
Tivon Pennicott – Tenor Sax
Sasha Berliner – Vibraphone
Kenn Salters – Drums
Veröffentlichung: 14. November 2025
Kraftvollen Grooves und nachdenklichen Balladen
Der Bassist und Komponist Jakob Dreyer präsentiert auf seinem dritten Album als Bandleader, Roots and Things, einen neuen Sound, eine neue Band und eine unbändige Lust am Swing
Der vielseitige, in Deutschland geborene und in New York lebende Bassist Jakob Dreyer hatte sich bereits auf zwei früheren Alben seiner Reihe Songs, Hymns and Ballads als äußerst produktiver Komponist erwiesen, doch auf Roots and Things legt er noch einmal eine Schippe drauf. Mit einer beeindruckenden Besetzung, bestehend aus der Vibraphonistin Sasha Berliner, dem renommierten Tenorsaxophonisten Tivon Pennicott und dem gefragten Schlagzeuger Kenn Salters, präsentiert Dreyer auf seiner dritten Aufnahme für das in Barcelona ansässige Label Fresh Sound New Talent 15 lebhafte und durchgehend swingende Eigenkompositionen. Mit seinem Schwerpunkt auf kraftvollen Grooves und nachdenklichen Balladen, unterbrochen von kurzen Zwischenspielen, die dem Zuhörer als eine Art Unterbrechung dienen, ist Roots and Things ein tiefgründiges Statement des Bassisten und Komponisten, der seit seinem Umzug nach New York im Jahr 2014 zu einer allgegenwärtigen Figur in der Jazzszene der Stadt geworden ist.
„Nach meinen beiden vorherigen Alben, auf denen das Klavier (Jon Cowherd) im Vordergrund stand, hatte ich das Gefühl, dass ich beim nächsten Album einen anderen Sound wollte“, so Dreyer. „Also habe ich überlegt, wie ich das am besten umsetzen könnte. Ich habe verschiedene Instrumente in Betracht gezogen, bevor ich mich für das Vibraphon entschieden habe. Ich finde, es prägt die Musik einfach sehr stark. Außerdem hat Dave Hollands Einsatz des Vibraphons auf mehreren seiner Alben meine Entscheidung definitiv beeinflusst.“
Etwas ganz Einzigartiges
Und was die 27-jährige Sasha Berliner aus der Bay Area mitbringt, ist etwas ganz Einzigartiges. Sie wurde 2018 vom SFJAZZ Magazine zu einer der „10 aufstrebenden Instrumentalistinnen, die man kennen sollte” gekürt, von JazzTimes als „junge Meisterin der Mallets” bezeichnet und im Alter von 21 Jahren im Downbeat Critics Poll 2020 zur Nummer 1 der aufstrebenden Vibraphonistinnen gewählt. An ihrer Seite steht Pennicott, einer der mitreißendsten Saxophonisten der aktuellen Szene, unterstützt vom treibenden Rhythmus-Duo Salters und Dreyer. Zusammen sorgen sie auf Roots and Things für eine bemerkenswerte Chemie von Track zu Track. Zum Titel erklärte Dreyer: „Ich dachte, er habe mehrere Bedeutungen, aber für mich dreht sich alles um den Bass, denn das ist es, was ich meistens mache: die Grundnote spielen.“

Das Album beginnt mit dem minimalistischen „The Fifth Floor“, untermalt von Berliners hypnotischem Vibraphon-Ostinato und angetrieben von Salters knackigem, kraftvollem und präzisem Schlagzeugspiel „Constellation“ ist ein freizügiger Swinger, bei dem Pennicotts kühnes Tenorsaxophon das Eröffnungsmotiv intoniert, bevor es zu einem wogenden Uptempo-Solo übergeht, das vom unfehlbaren, treibenden Bass des Bandleaders und Salters interaktiven Attacken auf dem Schlagzeug angetrieben wird. Berliner steuert hier ebenfalls ein belebendes, vom Bop inspiriertes Solo bei, gefolgt von Dreyer mit einem kraftvollen Solo, das in seinen Basshelden Paul Chambers, Dave Holland, George Mraz und Niels-Henning Ørsted Pedersen verwurzelt ist.
Der kantige „Follower“ ist eine Startrampe für einige kraftvolle Erkundungen des Tenorsaxophonisten Pennicott und der Vibraphonistin Berliner. Schlagzeuger Salters entfesselt sich an seinem Kit über einem Band-Ostinato in diesem intensiv groovenden Stück. In „June Tune“ kehrt etwas mehr Ruhe ein, ein geheimnisvoller, harmonisch reichhaltiger Titel, der Berliner, Pennicott und Dreyer reichlich Raum für Soli lässt, wobei dessen tiefklingende Erkundungen hier ein lyrisches Highlight darstellen.
Zwischenspiele
Das feurige Interlude „Land of 1,000 Blues“ ist eine kurze (nur 20 Sekunden), aber heftig swingende Interpretation von Chris Kenners Rockklassiker „Land of 1,000 Dances“ aus dem Jahr 1962, der später durch Hit-Single-Versionen von Cannibal & the Headhunters und Wilson Pickett berühmt wurde. Es ist das erste von vier solchen Übergängen auf Roots and Things. „Ich dachte, ich könnte diese Zwischenspiele einfach zwischen den Hauptsongs einbauen, um die Stimmung neu zu setzen”, erklärte Dreyer. „Wenn man also das ganze Album durchhört, kommt man zu diesen Resets und kann den nächsten Song wieder neu genießen.”
Der einzige Cover-Song auf diesem Album, eine modernistische 5/4-Version des Rodgers & Hart-Showtunes „With a Song in My Heart“ aus dem Jahr 1929, ist eine Bühne für einige eindringliche Improvisationen von Berliner, Pennicott und Dreyer. Es folgt ein weiteres Intermezzo, das hüpfende Midtempo-Stück „Bodega“, das nach 32 Sekunden eindringlichem Swing und Walking Bass ausklingt. Die verträumte Ballade „Downtime“, untermalt von Salters‘ Brushwork und Berliners resonantem Comping auf dem Vibraphon, offenbart das Gespür des Bandleaders für kontrapunktisches Spiel. Berliner, Pennicott und Dreyer liefern jeweils brillante, ausdrucksstarke Soli zu diesem ergreifenden Stück.
Das feurige „Fight or Flight“, ein Uptempo-Stück mit einem komplexen Kopf und einem Riff, das an Wayne Shorters „Yes or No“ erinnert, entfesselt einige funkelnde Soli von Berliner und Pennicott, begleitet von Dreyers entschlossenen Walking-Bass-Linien. Vibraphon und Saxophon liefern sich einen rasanten Schlagabtausch mit Schlagzeuger Salters, während das Stück an Fahrt gewinnt.

Tiefgründige Soli
Das 42 Sekunden lange Interlude „MTA“ swingt kraftvoll mit einigen präzise synchronisierten Schlägen, während „Hold On“ das kontrapunktische Spiel des Bandleaders und Salters hochgradig interaktive Instinkte am Schlagzeug zur Geltung bringt. Pennicott und Dreyer liefern jeweils tiefgründige Soli zu Berliners flüssigem Vibraphon-Begleitpart in diesem eindringlichen Stück in Moll.
„Room 1102“, benannt nach Dreyers Zimmer im Studentenwohnheim des City College, basiert auf einem bezaubernden Ostinato, das Schlagzeuger Salters die Freiheit gibt, sich ungehindert auf seinem Kit auszutoben. Der Titeltrack ist ein wunderschön stimmungsvoller Titel, in dem Berliner mit ihrem schwebenden Vibraphon einen Hauch von Geheimnis hinzufügt, während Dreyers kontrapunktische Basslinien und Salters knackig interaktives Schlagzeugspiel dem Stück einen soliden Anker verleihen. Berliner, Pennicott und der Bandleader liefern hier jeweils kraftvolle und fesselnde Soli.
Das 20-sekündige Interlude „Invisible“ gibt einen kurzen Vorgeschmack auf Pennicotts Saxophon in Kombination mit Salters‘ Brushwork, bevor „Big Apple“ mit der Kraft von Salters‘ kraftvollem Backbeat und Dreyers klangvollen Basslinien eindrucksvoll einsetzt. „Ich habe diesen Song gerade geschrieben und fand, dass er ein bisschen wie Brad Mehldau klingt, der auf irgendwelchen Popsongs spielt. Und tatsächlich hat Oscar Peterson das schon in den 70er Jahren gemacht, wo es fast wie ein Backbeat ist, aber auch diese treibende, swingende Qualität hat.“ Berliner und Pennicott liefern jeweils beschwingte, mitreißende Soli zu diesem kraftvollen Groove.
Ein Wortspiel
Roots and Things endet mit dem klassisch angehauchten „Choral Diner“, in dem der Bandleader vier Arco-Bässe in einer Art Kammerquartett-Setting überlagert. „Es ist ein Wortspiel“, sagt der Komponist. „Denn es ist ein Choral, aber es ist auch nach dem Coral Diner benannt, das früher um die Ecke von meiner Wohnung lag.“
Roots and Things ist Dreyers bislang persönlichste Aufnahme und markiert einen neuen Meilenstein in der sich weiterentwickelnden Karriere dieses aufstrebenden Talents.
TRACKS
- The Fifth Floor (2:11)
- Constellation (5:57)
- Follower 4:36
- June Tune (5:50)
- Land of 1000 Blues (0:24)
- With a Song In My Heart (5:20)
- Bodega (0:32)
- Downtime (6:22)
- Fight or Flight (5:46)
- MTA (0:42)
- Hold On (5:14)
- Room 1102 (1:57)
- Roots and Things (5:21)
- Invisible (0:21)
- Big Apple (5:06)
- Choral Diner (0:40)
All compositions by Jakob Dreyer except “With a Song in my Heart“ written by Richard Rodgers & Lorenz Hart, arrangements by Jakob Dreyer
jazzreportagen.com: Ein Album voll Überraschungen, Wendungen und Zwischenspiele. Mal vertraut, mal erstaunlich. Und doch eine Einheit mit den sphärischen Klängen des Vibraphons
Portraits von Sasha Berliner
