Michael Wollny Trio auf der Sudhaus Open Air Waldbühne 2025
Michael Wollny – Piano
Tim Lefebvre – Bass
Eric Schaefer – Drums
Tübingen, 18.7.2025
Jazz wie eine Bachsonate
Das Michael Wollny Trio bietet ein fulminantes Openair-Konzert in Tübingen
Nicht nur sein neues Livealbum „Living Ghosts“ und seine kompromisslose Musik hat Michael Wollny nach Tübingen mitgebracht. Gefolgt sind ihm auch seine treuen Fans – von Stuttgart, Böblingen, Konstanz gar. Nun sitzen sie dicht an dicht und lauschen gespannt, was das Trio mit dem renommierten Jazzpianisten, dem amerikanischen Bassisten Tim Lefebvre und dem Drummer Eric Schaefer an diesem Freitag im lauschigen Sudhaus-Waldbiergarten zu bieten hat, wie sie ihre Themen zusammenfügen, ihren Klang gestalten.
Und schon stürzen sich die drei Musiker in ihre Musik, selbstvergessen, abgehoben, wie für den Augenblick neu erfunden. Ungefähr eine Stunde dauert die erste Improvisation, die in dem Stück „When the sleeper wakes“ aus dem Jahr 2014 mündet. Erst danach wendet sich Wollny an sein Publikum, stellt seine Mitmusiker vor, erklärt, dass sie eigentlich gar keine Setliste haben, „sondern einfach drauf los spielen“. Dann versinkt er wieder in seiner Musik, nimmt mit skurriler Fantasie Themen auseinander, sodass sie kaum noch zu erkennen sind, führt vor Augen, was den Openair-Platz hinter dem Sudhaus dermaßen mit Klang erfüllt.
Gesucht wird die Unmittelbarkeit
Klang, das ist überhaupt das Stichwort. Das Trio des 47-jährigen Diplomjazzers Wollny begibt sich in ihrem 90-minütigen Set auf die Suche nach der Gestaltung des Klangs. Ja, der Weg, die Suche steht im Mittelpunkt. Gesucht wird die Unmittelbarkeit. Die feste Struktur verwischt. Dafür pfeilschnelles Spiel mit den Fingerspitzen, wildes Klopfen mit dem Ellenbogen auf Pianotasten, zärtliches Hämmern ins Flügel-Innere. Das alles sind keine Störgeräusche, sondern passt sich wunderbar den akustischen Höhenflügen an. Die Gespräche nach dem Konzert schwanken dennoch in der Bewertung: Während die einen die mehrdeutigen Jazzklänge „sehr abgehoben“ finden, loben andere das „Kammermusikalische“, „die präsente Art Wollnys, Klavier zu spielen“ und eine bezeichnet den Jazz gar als „transparent wie eine Bachsonate“.
Sicher ist: man wird Zeuge einer zum Teil fulminanten Jazz-Demonstration, ohne je auf einen abgenutzten Trampelpfad oder einen Allgemeinplatz des Jazz zu geraten. Michael Wollny glänzt vor allem durch sein feinsinniges Timing und seine präsente Art. Die Strähnen des halblangen Haares im Gesicht, beugt sich der Pianist wie eine Marionette mit eckigen Bewegungen tief über die Tasten, lauscht intensiv auf seine Begleiter, begibt sich mit ihnen auf Klangsuche, gibt Phrasen vor, legt das Fundament. Dann löst er sich urplötzlich wieder, spielt sich frei, bricht in rasend schnelle Läufe aus.
Gegen Ende des Konzerts dreht das Trio noch einmal auf, und man kann in den verschwimmenden Tönen erahnen, dass die Suche nach dem Klang nun ihrem Ende zugeht. Fast. Denn es folgt noch eine umjubelte Zugabe.
Jürgen Spieß
Portraits von Michael Wollny
Portraits von Tim Lefebvre
Portraits von Eric Schaefer














