Joe Bonamassa am Schlossplatz – jazzopen Stuttgart 2025
Joe Bonamassa (git, voc)
Josh Smith (git)
Reese Wynans (keys)
Calvin Turner (bass)
Lemar Carter (drums)
Jade McCray (voc)
Danielle DeAndrea (voc)
Stuttgart, 10.7.2025
Der Herrscher über 400 Gitarren landet auf dem Schlossplatz
Der 1977 geborene Joe Bonamassa ist der gegenwärtige Superstar in der Bluesrock Szene, er ist ein wahres Arbeitstier und produziert jährlich oftmals mehrere Alben. 13 seiner Alben belegten Platz eins in den Bilboard-Charts, zudem ist er ein wahrer „Gitarrenfetischist“ und Perfektionist. Seine beeindruckende Instrumentensammlung umfasst geschätzt vierhundert Gitarren mit der entsprechenden Anzahl von passenden Verstärkern. Kein Wunder, hatte doch sein Vater ein Gitarrengeschäft, bei dem sich namhafte Musiker Ihre Instrumente kauften. So hatte der junge Joe schon frühzeitig Kontakt mit den Stars der Blues und Rockszene. Mit 4 Jahren begann er mit einer eigens für ihn angefertigten Chiquita Gitarre (eine kleine, handliche Gitarre für Kinder) das Spiel auf den sechs Saiten, bis er dann mit 7 Jahren auf eine normale Gitarre umstieg. Schon früh spielte im sein Vater Aufnahmen von Eric Clapton, Jeff Beck und anderen Bluesgrößen vor, was den jungen Bonamassa nachhaltig prägte. Mit elf Jahren erhielt er Unterricht von Danny Gatton, einer amerikanischen Gitarrenlegende und mit zwölf Jahren stand er bereits im Vorprogramm von B.B. King auf der Bühne. Die Firma Fender-Guitars wurde auf ihn aufmerksam und lud ihn ein auf mehreren Veranstaltungen sein Können auf den Fender Gitarren zu präsentieren. Bis heute sind die Fender Gitarren Stratocaster und Telecaster, wie auch an diesem Abend seine bevorzugten Modelle. Das sind zwei von sage und schreibe elf Gitarren die Bonamassa auf der Bühne diesmal präsentiert. Gut 7000 Fans huldigen dem „Gitarrengott“ im bis zum Anschlag gefüllten Ehrenhof des Stuttgarter Schlosses.
Ab in die Oldschool-Blues-Rock-Zeitkapsel
Wären da nicht hunderte von filmenden Handy, man könnte meinen, einen Trip in einer Zeitkapsel in die Vergangenheit gemacht zu haben. Fünf Musiker an ihren Instrumenten, kein Schnickschnack, keine Bühnendeko zusätzlich noch zwei Background-Sängerinnen, die zunächst nur dauerlächeln und synchron die Hüften schwingen, später dann auch unglaublich gut singen. Bonamassa trägt Sonnenbrille einen schlichten Anzug und man merkt sofort, dass es an diesem Abend nur um die Musik geht und um nichts anderes. Handmade, ehrlich und virtuos legt die Band gleich los, einen harten Rocktitel am Anfang der Setlist, gefolgt von dem hymnischen Wüstenrockstück „Dust Bowl“. Es ist atemberaubend, wie seine Finger auch an diesem Abend wieder über die Saiten fliegen, wenn er seine Soli rausschleudert und das sind einige. Die Band lässt sich Zeit, gibt sich den nötigen Raum, arbeitet auf Höhepunkte zu, eine musikalische Bluesrockreise in Intervallen, jenseits des Vier-Minuten-Pops. 12 Songs in zwei Stunden sind es dann am Ende des Abends.
Die sportliche Variante des Gitarrenspiels
Manchmal ist es wie in einem sportlichen Wettbewerb, die schiere Faszination für die Ästhetik der Hochgeschwindigkeit, die Beherrschung der Fingermotorik und der Präzision, kurz zusammengefasst: Es fasziniert die perfekte Technik- die Joe Bonamassa auf seinem Instrument präsentiert. Aber der Bluesrock affine Fan findet dies spannend, obwohl viele Solis einen ähnlichen Aufbau haben. Die Band breitet den musikalischen Teppich auf einem durchaus hohen Level aus und Bonamassa jagt das Griffbrett rauf und runter. Aber es gibt durchaus die kunstvollen „Gänsehautmomente“, wie beispielsweise bei dem epischen Stück „The last Matador of Bayonne“, bei dem der Gitarrist kunstvoll mit der Lautstärke spielt und die Töne dadurch zart ein- und ausschwingen. Gefühlvolles Ziehen und Zupfen an den Saiten, bahnen sich den Weg in die Gehörgänge der Zuhörer und lassen einen im positiven Sinne erschaudern. Da spürt man, dass die Seele doch mit im Spiel ist, trotz des perfektionierten und rasanten Gitarrenspiels. Die schönsten Momente sind jedoch die, wenn die Band gemeinsam loslegt, wenn die Background-Sängerinnen auf Bonamassas Zuruf: „Come on Ladies“, in den Vordergrund treten und den Blues „soulig“ in den Schlosshof jagen. Wenn der legendäre Organist Reese Wynans , der wie Kenny Wayne Sheperds Schlagzeuger ebenfalls Mitglied von Stevie Ray Vaughans Double Trouble war, die Zeit bekommt auf seiner Hammond Orgel ein grandioses Solo rauszuhauen, dann überrollt der Bluestrain mit wunderbarer Wucht das ganze Publikum.
Bonamassa geht gnadenlos in die Verlängerung
Eigentlich ist die Deadline für die Schlossplatzkonzerte 22.30 Uhr, doch Bonamassa ist laut Setlist noch nicht mal bei der Zugabe angelangt. Doch Rainer Schloz der Chef der Jazz Open macht sich deswegen keine großen Sorgen. Das gibt eventuell Ärger mit der Stadt, aber der hält sich wohl in Grenzen, da die Jazz Open inzwischen eines der wichtigsten Aushängeschilder der Stadt ist. Der „Gitarrengott“ hat Spaß an seinem Spiel, variiert, das im Prinzip ausgereizte Genre der Rockmusik, mal scheint man Ritchie Blackmoore rauszuhören ein anderes Mal Gary Moore oder Rory Gallagher. Bonamassa erweitert dieses Genre mit seiner ureigenen Art des Gitarrenspiels und hält es somit am Leben. Als er dann mit einer ganz besonderen Version des Led Zeppelin Klassikers „How Many More Times“ zum Schluss um die Ecke kommt und den Steg bis an den Rand nach vorne schreitet ist das Publikum endgültig außer Rand und Band. Bemerkenswert ist , dass er diese Stück auf einer ganz besonders abgestimmten Fender Telecaster spielt und nicht, wie es sich für einen Led Zeppelin Titel gehört, auf einer Gibson Les Paul. Jimmy Page würde es wohl mit einem Lächeln tolerieren. Viertel vor elf gibt er sich noch Zeit für eine Zugabe, sein einziges Stück, dass den Weg in die Hitparaden fand, „Slow Gin“. Lässig und zigarrenrauchend zelebriert er die letzten zwölf Minuten des Abends mit der gewohnten Perfektion und ein wenig Seele ist auch noch dabei. Wieder mal einer von vielen denkwürdigen Musikabenden bei den Jazz Open in Stuttgart.
Harald Kümmel
Portraits von Joe Bonamassa











