Gastbeitrag

Colosseum bei den Theaterhaus Jazztagen 2025

Colosseum bei den Theaterhaus Jazztagen 2025
Colosseum bei den Theaterhaus Jazztagen 2025

Chris Farlowe (voc)
Clem Clempson (git & voc)
Mark Clarke (b, voc)
Malcolm Mortimore (dr)
Nick Steed (key)
Kim Nishikawara (sax)

Stuttgart, 25. April 2025

Die unverwüstlichen Jazz-Rock-Dinosaurierer geben sich die Ehre

Jon Hiseman und Dick Heckstall-Smith zwei Namen die prägend waren für die Fusion zwischen Rock und Jazz und die Begründer der Formation Colloseum sind. Beide spielten zuvor bei John Mayall und seinen Bluesbreakers, die den „weißen“ Blues in Europa popularisiert hatten, bevor sie 1968 andere musikalische Wege einschlugen und mit drei anderen Musikern die Band Colosseum gründeten. Ihre suitenartigen Kompositionen, die Elemente aus Jazz, Rock, Blues und Klassik miteinander verbanden, machten sie in kürzester Zeit in der Musikszene bekannt.

Von der Urformation ist 2025 niemand mehr dabei. Aus der Anfangszeit sind nur der Gitarrist David „Clem“ Clempson, der sich 1969 dazu gesellte und der inzwischen 85-jährige Rhythm-and-Blues-Sänger Chris Farlowe (Einstieg in die Band 1970) in der aktuellen Besetzung noch mit von der Partie. Bassist Mark Clarke hat immerhin auch schon gut fünfzig Jahre Erfahrung in der Band. Das Album Colosseum live, das 1971 erschien, gilt bis heute als eines der besten Live-Alben der Rockgeschichte. In den folgenden Jahrzehnten gab es viel Bewegung innerhalb der Band, mit vielen Um- und Neubesetzungen, doch Drummer Jon Hiseman blieb bis zu seinem Tod im Jahre 2020 der Kopf der Formation. Hisemans Ehefrau Barbara Thompson kam 2004 für den verstorbenen Saxophonisten Heckstall-Smith in die Band. Hiseman und Thompson waren auch fester Bestandteil des legendären United Jazz Rock Ensembles, das im Grunde genommen seine Heimat im Stuttgarter Theaterhaus hatte, nicht zuletzt, weil die beiden Stuttgarter Jazzlegenden Wolfgang Dauner und Eberhard Weber Gründungsmitglieder dieser einzigartigen Jazz-Allstar-Group waren.

Colosseum bei den Theaterhaus Jazztagen 2025
Chris Farlowe

Neues jüngeres Blut für die Jazz-Rock-Dinosaurier

Vor  knapp zehn Jahren hat sich die Formation einer „Frischzellenkur“ unterworfen und erheblich jüngere Musiker integriert, die inzwischen fester Bestandteil sind und 2025 mit, auf der hoffentlich nicht letzten Tournee sind. Kim Nishikawara am Saxophon, Nick Steed an den Keyboards und Malcolm Mortimore ziehen den Altersdurchschnitt der Veteranen erheblich nach unten. Naja, Drummer Mortimore spielte 1971 schon bei der Prog-Rock-Gruppe Gentle Giant und ist auch schon gut siebzig Jahre alt. Doch Alter ist nur eine Zahl und Verfallserscheinungen sind an diesem Abend musiktechnisch in keiner Weise festzustellen. Das Gegenteil ist eher der Fall, die Stücke aus dem aktuellen Album „XI“ wirken frisch und unverbraucht, sind mehr dem Rock als dem Jazz zugetan, nicht mehr episch lang, sondern eher kurz und kraftvoll, dem musikalisch aktuellen Zeitgeist entsprechend.

Stücke wie die neu arrangierte Coverversion von Van Morrissons „Aint Gonna Moan No More“ hat man neues Leben eingehaucht, oder Songs wie „No more Second Chances“, oder „Nowhere to be found“ enthalten zudem auch noch zeitkritische Botschaften. Angelehnt an die 1969 erschienene „Valentyne Suite“ die sich über zwei LP-Seiten erstreckte, gibt’s aktuell an diesem Abend alternativ die von Keyboarder Nick Steed komponierte „English Garden Suite“, die aber nur eine Dauer von ca. zehn Minuten hat, Zeitgeist entsprechend eben. Obwohl sich viele der Zuschauer die sich jenseits der Siebzig bewegen sich die lange Suite aus Nostalgiegründen bestimmt gewünscht hätten, tut das dem Ganzen keinen Abbruch. Für viele im Saal ist der Abend ein Dejavu, eine Reise durch die eigene Jugendzeit, ein Nostalgietrip mit den Urgesteinen der britischen Blues- und Jazzrockszene.

Colosseum bei den Theaterhaus Jazztagen 2025
Colosseum bei den Theaterhaus Jazztagen 2025

Das verlorene Los Angeles und der Blues am stürmischen Montag

Und dann kommen sie doch, die antiken, aber trotz allem zeitlosen Long Play-Klassiker. Und sie funktionieren noch immer, die Frontlinie Farlowe-Clempson-Clarke ist intakt und die im Laufe der Zeit „Zugereisten“ an Drums, Sax und Keys passen wunderbar in diese Linie. Kim Nishikawara spielt zwar nicht zwei Saxophone parallel, wie Heckstall-Smith es zu tun pflegte, aber die Solos sind ebenso fulminant wie intelligent gespielt. Kein Wunder wenn man mit R&B Legenden wie Cliff Bennett und Alan Price musiziert hat. Und Greenslade-Ersatz Nick Steed an Keys, der unter anderem mit Dennis Chambers, Steve Hackett, Ginger Baker und Van Morrisson seine musikalische Vita schmücken kann? Er ist nicht nur Begleiter, nein, er bringt seine ganz eigene emotionale Handschrift in die Songs mit ein. Als rhythmischer Unterbau funktoniert Drummer Mortimer exzellent. Klar, kein Jon Hiseman, aber technisch äußerst beschlagen und erfahren.

Colosseum bei den Theaterhaus Jazztagen 2025
Colosseum bei den Theaterhaus Jazztagen 2025

Die Longplayer am Ende des Abends geben dem Ganzen nochmal den richtigen Kick.  Farlowe hat mit seinen 85 Jahren nur wenig von seiner vokalen Kraft verloren – er interpretiert die klassische Colosseum-Songs mit offensichtlicher Freude und Überzeugung, vergisst auch bei dem fast 15-minütigen „Lost Angeles“ seine berühmten Scat-Gesänge nicht und garniert „Stormy Monday Blues“, dem letzten Song vor der eingeplanten Zugabe mit Textzitaten zwischen “Flip, Flop & Fly“ und “The girl can’t help it – she’s in love with – me!“ Clem Clempson – auf der Bühne Band- und Cheerleader streichelt seine Gitarre, lässt sie bluesig rockig heulen, dirigiert dramatische Höhepunkte im Repertoire und zelebriert Solo-Passagen zum Niederknien. Mark Clarke bleibt der Anker mit seinen knalligen Basseinsätzen, die oft eine exquisite zweite Melodielinie einführen. Gleichzeitig ist Clarke unentbehrlich als verlässlicher Chor-Vokalist sowie gelegentlicher Leadsänger. Bei der Zugabe wird emotional nochmal eine Schippe draufgesetzt. “Theme from Imaginary Western“, komponiert von Cream Bassist Jack Bruce, der übrigens mit einer Schwäbin verheiratet war und eine Zeitlang in Nellingen lebte, bildet den gefühlvollen Schluss, der nostalgischen Musikreise durch Jahrzehnte der Jazz-Blues-Rock-Fusion. Einfach zeitlos und wohl weitere Jahrzehnte wiederholbar.

Fotos und Text Harald Kümmel

Das Programm der Theaterhaus Jazztage 2025

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