Interview mit Tobias Becker zu 20 Jahre Bigband

Böblingen, 5.10.2025

Die Geschichte der Tobias Becker Bigband zum 20. Band-Jubiläum

Wir hatten Gelegenheit vorab mit dem Bandleader zu sprechen

Ihr feiert mit der Bigband 20-jähriges Bestehen. Wie fing das alles an? Und warum Bigband?

2005 habe ich am AEG mein Abitur gemacht und war bis dahin Mitglied in der AEG-Bigband. Wir hatten eine tolle Zeit, tolle Arbeitsphasen und Tourneen. Mein ABI-Jahrgang war in der damaligen Besetzung ziemlich stark vertreten und dementsprechend stand der Band eine große Neubesetzung bevor. Ich habe damals begonnen zu schreiben und meine ersten Arrangements mit der AEG-Bigband aufgeführt. Nach dem Abi fiel natürlich die Möglichkeit weg, meine Arrangements und Kompositionen mit dieser Band auszuprobieren.

Also habe ich kurzerhand die Leute aus meinem Jahrgang gefragt ob sie weiter – unter meiner Führung – in einer Bigband spielen wollen. Zusätzlich habe ich noch ein paar ex-AEG-Bigband’ler und jüngere Jahrgänge gefragt, um eine komplette Bigbandbesetzung zusammen zu bekommen. So hat alles angefangen. Den Brief den ich damals an die Leute geschickt habe, um zu fragen ob Sie Lust haben in meiner Band zu spielen, habe ich neulich beim Aufräumen wieder gefunden. Ein Relikt aus Pre-Doodle-Umfrage-Zeiten.

Was ist der Kick beim Bigband-Sound?

Bigband ist einfach ein faszinierender Klangkörper. Er kann ganz leise, intim und melancholisch klingen. Er kann aber auch „knallen“ wie kaum ein anderes Ensemble dieser Größenordnung. Die Mischung aus Improvisation auf der einen und auskomponierten, orchestralen Teilen auf der anderen Seite ist für mich die ideale Mischung. 17 Solisten die zu einem Sound verschmelzen, sich für das Große und Ganze zurücknehmen und bei den entsprechenden Solo-Spots ihre individuelle Klasse entfalten ist einzigartig. Der Sound ist so wandlungsfähig, dass er immer aktuell und zeitgemäß bleiben kann. Ein bekannter, deutscher Bigbandleader und Pianist hat mal gesagt: „Die Bigband ist mein Instrument“. Das Zitat kann ich auch für mich unterschreiben!

Besteht das Repertoire vornehmlich aus Eigenkompositionen oder ist es Bigband-Literatur bzw. auch Pop- und Filmmusik?

Das Repertoire bzw. unsere Konzertprogramme und CD-Veröffentlichungen bestehen zu einem Großteil aus Eigenkompositionen und einigen wenigen Eigenbearbeitungen von Jazzstandards. Das ist sozusagen das Alleinstellungsmerkmal, das künstlerische Profil der Band. Coverversionen aufzunehmen macht meines Erachtens nach im Jazz wenig Sinn. Die DNA dieser Musik liegt im Erschaffen von Neuem. Nichts desto Trotz machen wir hin und wieder Konzerte, die wir bestimmten Themen oder Komponisten widmen. So haben wir beispielsweise letztes Jahr ein Tribute Konzert für den vor einem Jahr verstorbenen Quincy Jones gespielt. Aber das ist nicht der Regelfall.

Bei dir spielen Landesjazzpreisträger und andere Spitzenmusiker mit. Wie hast du die Musikerauswahl getroffen? Gab es viele personelle Umbesetzungen in den vergangenen 20 Jahren?

Die meisten oder eigentlich alle Musiker wurden mit dem Landesjazzpreis ausgezeichnet nachdem sie schon mehrere Jahre bei mir gespielt haben. Ich habe immer schon Wert daraufgelegt, dass die Besetzung musikalisch aber vor allem auch menschlich gut miteinander harmoniert. Das ist wahrscheinlich auch das Geheimnis warum so viele Musiker schon so lange, manche nahezu die ganzen 20 Jahre in der Band spielen. Der Preis dafür ist, dass hohe Unkosten auflaufen, da die Leute von Berlin, Köln, Wien, Luzern, München usw. anreisen. Die Musiker sehen sich nicht jeden Tag in Stuttgart in unterschiedlichen Formationen, sondern kommen aus den unterschiedlichsten Himmelsrichtungen zusammen und freuen sich dementsprechend schon immer darauf.

Die Besetzung ist – würde ich sagen – über die 20 Jahre ziemlich konstant geblieben. Die größten Umbesetzungen gab es eigentlich in den ersten ein bis zwei Jahren. Danach hat mal jemand aufgehört oder ist aus unterschiedlichen Gründen ausgeschieden aber das ist auf 20 Jahre gesehen eine relativ überschaubare Fluktuation. Christian Mehler, heute ein sehr erfolgreicher, gefragter Solist und Hochschuldozent, ist zwischenzeitlich der einzige ex-AEG’ler in der Band.

Hast du deine persönliche Messlatte schon übersprungen oder hast du noch höher gesteckte Ziele?

Ich bin jetzt 40 Jahre alt und würde mich glaube ich vor mir selber fürchten, wenn ich sagen würde ich hätte bereits alles erreicht. Mit meiner Band läuft es sehr gut, wir haben im Frühjahr eine neue CD aufgenommen, die Anfang 2026 erscheinen wird. Wir haben vor zwei Jahren einen Förderverein gegründet, der die Band auch auf die kommenden Jahre finanziell absichern soll. Seit ca. fünf Jahren arbeite ich auch regelmäßig für internationale Künstler und Orchester als Arrangeur und Musical Director. Manche Ziele sind konkreter, manche noch nebulöser aber definitiv habe ich noch einiges vor. Ganz davon abgesehen kenne ich keinen ernstzunehmenden Künstler der sagt: ich hab’s geschafft. Man strebt immer nach mehr und will besser werden, das liegt in der Natur der Sache.

Was erwartest du vom Konzert am 17. Oktober, bzw. was würde dich besonders freuen und auf was darf sich das Publikum freuen?

Es schließt sich quasi ein Kreis und es wird sicher ein schönes Abschlusskonzert für unser Jubiläumsjahr. Ich freue mich natürlich, wenn wir ein volles Haus haben, so wie früher zu AEG-Bigband-Zeiten. Die Konzerte waren immer ein Jahreshighlight und restlos ausverkauft. Natürlich freue ich mich aber auch viele Bekannte zu sehen. Von einigen weiß schon, dass sie kommen möchten. Mein Abi-Jahrgang hatte im September 20-jähriges Abi-Treffen. Der Termin war fest eingeplant und ich hatte mich sehr darauf gefreut.

Dann kam aber relativ kurzfristig eine unerwarteter berufliche Verpflichtung dazwischen und ich konnte nicht zum Klassentreffen. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass viele ehemalige ABI-2005ler zum Konzert kommen wollen. Also eine zweite Chance für mich. Das Publikum darf sich auf eine bestens eingespielte Band freuen, auf eine Menge Bigband-Jazz, tolle Solisten und die ein oder andere Anekdote aus 20 Jahren Tobias Becker Bigband.

Habt ihr noch weitere Jubiläumskonzerte?

Wir hatten dieses Jahr schon einige Konzerte. Wir waren recht viel unterwegs und haben in Geislingen, in Heilbronn, in Mannheim, in Weingarten und München gespielt. Im Juni hatten wir ein zweitägiges Geburtstags-Festival mit Gästen in unserer Homebase, im BIX Jazzclub in Stuttgart. Nun beschließen wir das Jubiläumsjahr in Böblingen. Nächstes Jahr geht es dann gleich im Februar mit dem Release Konzert unserer neuen CD „VENTI“ los. Und auch dann stehen wieder einige Konzerte in der Republik auf dem Tourplan. Geplant sind neben einigen Konzerten im BIX u.a. Gastspiele in München, Bremen und Ulm.

Du hast eine neue CD erwähnt. Was erwartet uns da?

Die neue CD heißt VENTI in Anspielung auf unser rundes Bandjubiläum. Es ist unser viertes Studioalbum seit unserer ersten Platte 2013. Darüber hinaus gab es noch eine Live CD und zwei Studio-Live-LPs. Die Band ist erwachsen geworden, das merkt man daran, dass alles viel leichter und routinierter von der Hand ging als bei den voran gegangen Tonträgern. Dennoch spielen alle mit so großer Freude und Leichtigkeit, dass es total frisch wirkt. Diese Kombi ist es wohl, die die Platte so einzigartig macht., Ich freue mich schon richtig auf den offiziellen Release im kommenden Jahr, denn ich bin vollumfänglich zufrieden mit der Produktion. Und noch eine kleine Randnotiz.

Das Cover der neuen Platte hat eine ex AEG’lerin gestaltet. Lea Dohle ist inzwischen eine gefragte Illustratorin und hat, wie ich finde, ein einzigartiges Cover entworfen. Böblingen und das AEG ziehen sich also irgendwo immer durch.

Das Gespräch führte Bernd Epple

Das finale Jubiläumskonzert bei der JazzTime am 17. Oktober 2025 im Albert-Einstein Gymnasium in Böblingen. Alle Infos und Karten hier.

Portraits von Tobias Becker